Eine der vielen Neuerungen an der zweiten Generation des Münchner Erfolgs-Crossover-Bikes, mit dem wir es ziemlich auf die Spitze getrieben haben.
Die Sitzposition war anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, doch lange dauerte es nicht, bis ich mich so wohlfühlte wie auf der Vorgängerin, die BMW vor fünf Jahren neu eingeführt hat. Auch dass meine linke Ferse ständig auf dem optionalen Hauptständer aufsitzt, ist erträglich.
Die ganze Baureihe ist vergleichbar mit aus der Autowelt Bekanntem, bei der Vorstellung damals habe ich die XR als Pendant zum BMW X6 M bezeichnet. Das trifft weiterhin zu, denn auch die Neuauflage ist ein SUV auf zwei Rädern, und zwar mit 165 PS ein extrem sportliches.
Im Herzen ein Supersportler
Der 999 cm³ große Vierzylinder entstammt dem Supersportler S 1000 RR, musste sich allerdings der verstellbaren Nockenwelle entledigen, weil das Hochdrehzahl-Drehmomentfeuerwerk der RR auf der Landstraße nun wirklich übertrieben wäre. Sagt jedenfalls BMW. Ein wenig mehr Power unten herum hätte allerdings nicht geschadet. Und Manieren, denn beim Rollen mit 2000 Touren macht sich die Kette bemerkbar. Die Getriebeübersetzung wurde verlängert, das merkt man daran, dass man im sechsten Gang seltener das Bedürfnis verspürt, hochzuschalten.
Wirkliche Leistungsnot leidet man auf der XR nicht, denn sie ist alles andere als schwachbrüstig und wer statt zur BMW R 1250 GS zur S 1000 XR greift, dem liegt sowieso die Flucht nach oben näher als das schaltfaule Dahinzuckeln. Dort oben spielt richtig die Musik, bei 9.250/min. liegen 114 Nm als maximales Drehmoment an, in der Region fühlen sich Bike und Fahrer am allerwohlsten. Aber auch im einigermaßen anwohnerfreundlichen Bereich kommt genug Druck.
Und weniger Vibrationen als früher. Hat es bei der alten XR (wenn ich mich recht erinnere) ab 6000/min. im Schritt vibriert, lässt die XR nun alles in Ruhe, was sie nichts angeht. Die Drehzahl (die man damals spüren konnte), liest man besser am neuen TFT-Display ab, das fast schon zum Standard auf BMW-Motorrädern geworden ist.
Der Verbrauch hat sich bei 5,9 l/100 km eingependelt.
Connectivity in Serie
Der 6,5 Zoll große Bildschirm ist serienmäßig an Bord, inklusive der Smartphone-Integration und einer Handy-App, die einfaches Navigieren erlaubt. Kost nix (trotzdem ist fürs Reisen das darüber montierte BMW-Navi zu empfehlen, das teilweise vom Lenker aus bedienbar ist).
Das Display ist auch bei starker Sonneneinstrahlung perfekt abzulesen, allerdings hat man nicht alle wesentlichen Infos auf einen Blick. Klar, Tacho, Drehzahl, Temperatur sind da. Aber sogar die Tankuhr gibt es nur zum Durchklicken ganz oben am Rand. Was dort angezeigt wird, stellt man im Menü ein. Also Trip 1 und 2, Durchschnittsverbräuche und -geschwindigkeiten und was ein Bordcomputer sonst noch so können muss. Das Durchklicken geht nur in eine Richtung, d.h. wenn man etwa die Reichweitenanzeige überklickt hat, muss man nochmal die ganze Liste durchrattern.
Stark verbesserte Serienausstattung
BMW ist ja nicht gerade dafür bekannt, Motorräder (auch Autos) in der Basis besonders opulent auszustatten. Bei der S 1000 XR der neuen Generation haben sie aber eine ganze Menge draufgelegt: So sind „Fahrmodi Pro" samt Sechs-Achsen-Sensorbox jetzt Serie, d.h. also die ganze Einstellerei ist dabei, ABS (dreistufig) und Traktionskontrolle sind schräglagensensibel, Wheelie Control, auch ein Bergauffahrassistent. Und sogar das Dynamic ESA, allerdings kann man damit nur die Federvorspannung per Knopfdruck einstellen (Fahrer allein/mit Gepäck/mit Sozius). Der volle ESA-Spaß kostet extra, am besten nimmt man es gleich als Bestandteil des Dynamikpakets (mit Schaltassistent Pro, Tempomat, Keyless Ride und Heizgriffen) um 1470 Euro.
Mit dabei sind jetzt auch LED-Lichter rundum, wobei die neuen (nicht mehr asymmetrisch ausgelegten) Scheinwerfer die XR etwas intelligenter dreinblicken lassen als früher. Um knapp 600 Euro extra bekommt man „Headlight Pro" mit herrlichem LED-Tagfahrlicht und Kurvenlicht, das Nachtfahrten eine Spur angenehmer macht. Auch LED-Zusatzscheinwerfer (420 Euro) sind im Angebot.
Die erweiterte Serienausstattung würde die BMW um acht Kilogramm schwerer machen, trotzdem wiegt sie nur 226 statt 228 kg. Das Geheimnis: Die neue hat eigentlich um 10 kg abgespeckt, allein der Motor bringt 5 kg weniger auf die Waage und ist nun mehr als tragendes Element integriert.
Weit gespreizte Fahrwerkseigenschaften
Das Testmotorrad ist (wie wohl die meisten Exemplare, die beim Händler gekauft werden) mit dem Dynamic ESA Pro ausgestattet, also mit der Vollversion. Die bietet eine automatische Beladungskontrolle über die Federvorspannung (sehr praktisch im Alltag!) sowie zwei Dämpferabstimmungen. „Road" ist durchaus gemütlich, ohne unpräzise zu werden, neigt aber auf längeren Wellen zum Schaukeln. Auf Dauer dürfte man mit „Dynamic" glücklicher werden, denn da gibt es keinen Grund zum Tadel.
Die XR lenkt herrlich ein, läuft sauber durch die Kurve und erweist sich als vertrauenswürdige Partnerin. Auch das starke Bremsaufstellmoment ihrer kleinen Schwester F 900 XR ist ihr fremd.
Wirklich anstrengend kann es nur werden, aufzusteigen, denn der Seitenständer ist recht kurz. Wenn die Straße auch noch nach links abschüssig ist, denn dann braucht es starke Schultern bzw. Arme. Das Gute daran: Wenn die Straße leicht nach rechts geneigt ist, fällt das Bike trotzdem nicht gleich um.
Aber das nur am Rande, wir waren ja gerade beim Fahren. Fast leichtfüßig fährt sie sich.
Süßer Großglockner nie klingen
Auch zu zweit ist die BMW S 1000 XR eine ideale Wahl für lange, sportliche Touren. Mein Ziel war unter anderem die Großglockner Hochalpenstraße mit der Edelweißspitze als höchstem Punkt. Auch die engen Kehren dort hinauf - Albtraum für manch nicht so versierte Motorradfahrer - sind zu zweit locker zu machen (außer für wirklich ungeübte Kehrenfahrer).
Doch das Metier der XR sind die schnellen Kurven. Die Sozia sitzt gut, das ESA gleicht das Gewicht aus und an Kraft mangelt es sowieso nicht. Kurvenwedeln leicht gemacht, die Schräglagenanzeige wies nach der Tour zu zweit die gleichen Maximalwerte aus wie nach der Solofahrt. Gutes Zeichen! Lediglich die etwas stumpfen Bremsen dürften gerne etwas bissiger und gefühlvoller sein. Vor allem auf längeren Autobahnetappen lernt man den sehr guten Windschutz zu schätzen. Der Windschild ist - auch während der Fahrt - mit einer Hand verstellbar.
Die Tour wäre wohl noch länger geworden, wenn nicht nur die Kofferhalter, sondern auch die Koffer am Bike gewesen wären. Doch die sind erst ab Oktober lieferbar. Daher musste die Touratech-Gepäckrolle das Nötigste aufnehmen. Die Gepäckbrücke war ja zum Glück montiert.
Der Preis ist ...
... nicht von schlechten Eltern, vor allem wenn man aus dem Vollen schöpft, wie es beim Testbike der Fall war. An die 28.000 Euro kostet es, und da ist das BMW-Navi noch nicht dabei, dafür aber die Carbonteile um 2000 Euro. Der Basispreis ist mit 19.950 Euro durchaus angemessen. Und die meisten Extras auch wirklich sinnvoll. Weder Heizgriffe noch den perfekt bedienbaren Tempomaten, weder den (manchmal etwas harten, aber zuverlässigen) Schaltassistenten noch das volle ESA-Programm möchte ich missen. Und wer einmal mit angezogenen Handschuhen draufgekommen ist, dass er noch den Zündschlüssel in der Hosentasche hat, weiß, wie wertvoll Keyless Ride ist (das auch den Tankdeckel einschließt).
Unterm Strich
Die BMW S 1000 XR ist eine für alles, vermutlich kann man mit ihr sogar auf der Rennstrecke Spaß haben, aber das wäre vielleicht wirklich etwas übertrieben (vor allem wegen der Reifen). Im Alltag ist sie jedenfalls ein Rundum-sorglos-Paket. Autobahnfahrt hat den Durchschnittsverbrauch letztlich auf 6,2 l/100 km steigen lassen, Landstraßenfahrer kommen eher mit einem halben Liter weniger aus. Mehr als 300 Kilometer stecken im 20-Liter-Tank also immer drin. In Sachen Alpenpässe kann man es mit ihr sehr gut auf die Spitze treiben, beim Preis ist es eine Frage des Budgets. Auch ohne Carbonteile ist sie ein Spitzenbike, die BMW S 1000 XR.
Warum?
Für BMW-Verhältnisse erstaunliche Serienaustattung
Druckvoller Motor
Tolles Fahrverhalten
Warum nicht?
Sollen wir jetzt ernsthaft über den Preis reden?
Oder vielleicht ...
... KTM 1290 Super Duke GT, Ducati Multistrada 1260 S
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