Renault ist ja zuletzt ein wenig unter die Räder gekommen, der einst erfolgreichsten Importmarke bleibt aktuell nur ein Platz im Hinterfeld der Zulassungsstatistik. Dass es nicht noch schlimmer kommt, verdankt sie zwei Modellen: Captur und Clio. Beide bauen auf der gleichen Plattform auf, CMF genannt (Common Module Family), die auch von Dacia, Nissan und nun Mitsubishi genutzt wird. Betrachtet man die Zulassungszahlen übrigens europaweit, ergibt sich ein anderes Bild: Hier überholte der Clio zeitweise sogar den VW Golf.
Karosserie: Kleinwagen mit Format
Es muss also was dran sein an dem gar nicht so kleinen Franzosen, der das frühere Gardemaß der Kompaktklasse von vier Metern um fünf Zentimeter überbietet. Im Vergleichstest eines neuen Facelift-Clios gegen Polo und Mazda 2 fuhr der Franzose einen souveränen Sieg ein. Doch wie sieht es nach ein paar Jahren intensiven Gebrauchs aus, wenn die Überwachungsvereine spätestens 36 Monate nach Erstzulassung ihre Plaketten kleben? Siehe da, hier findet sich der Clio eher im Mittelfeld wieder – der Polo aber auch. Und das Plattform-Geschwisterchen Dacia? Ziemlich am Schluss. Was wiederum bestätigt, dass persönliche Umstände wie die regelmäßige Wartung einen größeren Einfluss auf das Abschneiden bei der Hauptuntersuchung haben als die Marke. Und wie es um die Haltbarkeit des Clio-Häuschens bestellt? Oben angefangen droht manchmal Stress mit Rost am Antennenfuß und folgendem Wassereinbruch. Ansonsten ist Korrosion kein Thema, trotz teilweise nur aufgehauchter Lackierung.
Innenraum: Hübsch und sauber verarbeitet, aber mit billigen Materialien
Ein Gefälle begleitet den Qualitätseindruck im Innenraum: Vorn erzeugen feine Materialien und geschäumte Oberflächen beinahe schon Mittelklasse-Ambiente. Hinten dominiert dagegen Hartplastik, und im Kofferraum führen die labbrige Bodenmatte sowie die kaum lackierte Reserveradwanne das Auge wieder in die Kleinwagen-Realität zurück. Wobei man unterm Strich mit der Verarbeitung zufrieden sein kann, der Testwagen enthielt sich jedenfalls störender Nebengeräusche wie Knistern und Knacken, auch wackeln seine Spiegelgläser nicht, anders als in manchen Internetforen beklagt wird. Die Sitze sind klein und pflaumig. Hinten ist wenig Platz, zudem ist die Bank niedrig montiert.
Motor: Solide und mit Verwandtschaft aus Stuttgart
Im Motorraum herrscht die Vernunft. Besonders energisch geht der TCe 90 nicht ans Werk. Manuell geschaltet braucht er für den Standardsprint aus dem Stand auf Landstraßentempo 13er-Zeiten, das können andere besser. Und verbrauchen dabei weniger. Was aber mehr als die Hälfte der Neuwagenkunden nicht davon abgehalten hat, genau diesen Motor zu bestellen. Und ein weiteres Drittel, seine Derivate ohne Turbo zu nehmen. Denn seine Meriten sammelt der Clio auf anderem Gebiet: Er nervt nicht. Weder mit kurzen Wartungsintervallen noch mit kapriziösen Öl-Anforderungen oder konstruktiven Einbahnstraßen. Kurz gesagt: Die Dinger laufen immer. Die Nockenwellen treibt eine solide Kette an, Ölverlust ist kein Thema, und als Saugrohr-Einspritzer leiden sie auch nicht an verkokenden Einlassventilen.
Die stärkeren Ausführungen mit 130 und 140 PS sind dagegen partikelgefilterte Direkteinspritzer, laufen auch bei Mercedes in der A-Klasse. Wobei der schwächere nur im ersten Jahr das Sortiment zierte und an ein Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe gekoppelt war, das nicht eben für seine Zuverlässigkeit gelobt wurde. Und dann wäre da noch der Hybrid. Der erste kam Mitte 2020, nannte sich E-Tech 140 und wurde bereits ein Jahr später vom E-Tech 145 abgelöst (der in Wahrheit exakt 143 PS leistet). Bei ihnen wirken zwei Elektromotoren mit einem 1,6-Liter-Saugbenziner zusammen auf ein Getriebe, das zwei Gänge für die E-Triebwerke und vier für den Verbrenner bereithält. Es gibt keine Kupplung, angefahren wird stets elektrisch, und zwar bei Bedarf ziemlich zügig.
Allerdings nur so lange, wie Saft in der Batterie ist, das sind netto nur 0,55 kWh. Sind die verbraucht, müht sich der Benziner allein. Probleme sind kaum bekannt vom Hybrid, vereinzelt konnte Öl in den E-Motor neben dem Verbrenner gelangen und ihn zerstören.
Die andere wirtschaftliche Antriebsalternative hat Renault mit dem Facelift im vorigen Jahr aus dem Sortiment genommen. Dabei waren gerade die sehr sparsamen Diesel ein idealer Antrieb für ein Pendler-Shuttle wie den Clio. Wer einen gebrauchten ergattert, kann sich freuen, der K9-Diesel gilt als nahezu unzerstörbar, regelmäßige Zahnriemenwechsel alle sechs Jahre vorausgesetzt. Dieses Intervall (oder 150.000 Kilometer) gilt auch für den Aggregate-Riemen der Benziner. Was insofern erwähnenswert ist, als es sich um einen sogenannten Elast-Riemen handelt. Der besitzt eine geringe Elastizität, die einen Verzicht auf die sonst übliche Spannvorrichtung ermöglicht. Jedoch ist für seine Montage ein Spezialwerkzeug erforderlich – also kein Fall für Selbermacher.
Getriebe: Lieber gar nicht kuppeln als doppelt
Anlass genug, sich ein eigenes Bild zu machen. Dafür haben wir uns beim Renault-Vertragshändler Brunkhorst im niedersächsischen Zeven einen TCe 90 Evolution ausgeliehen. Der war zwar zum Zeitpunkt der Fotoaufnahmen noch kein Jahr alt, hatte aber schon 24.000 Kilometer unter die Räder genommen. Preis: 15.990 Euro. Besonderes Leckerli: X-Tronic – das ist die stufenlose Automatik von Renault. Und nein, die nervt nicht, wie sonst bei solchen Getrieben üblich, mit einem auf konstant hoher Drehzahl jaulenden Motor, während der Geschwindigkeitszuwachs überschaubar ausfällt. Eigentlich merkt man von ihr – nichts. An der Ampel geht es zügig los (das muss man heutzutage ja lobend erwähnen, wenn ein Auto mal nicht an Anfahrschwäche leidet), und beim Rollen über Land lässt sie den Einliter-Triple leise in niedrigsten Drehzahlen vor sich hin rumoren. Lediglich bei plötzlichen Leistungswünschen, etwa beim Überholen, dauert es ein paar Zehntel, ehe die Variatorscheiben sich auf die kürzere Übersetzung sortiert haben und der Schub einsetzt.
Und das optionale Doppelkupplungsgetriebe? Es schaltet zwar weich und treffsicher, bleibt aber nach höheren Laufleistungen gern mal in zwei Gängen gleichzeitig stecken oder neigt zum Ölverlust an der Eingangswelle. Das wird dann doppelt teuer, weil als Folgeschaden die Doppelkupplung verölt. Wenn Automatik, dann also lieber die X-Tronic. Die Eigenarten des Schaltgetriebes finden Sie bei den Mängeln. Leider.
Fahrwerk: Gute Abstimmung
Der ganzjahresbereifte Testwagen lässt sich jedenfalls nicht aus der Reserve locken, durchfährt präzise unseren Lieblingskreisverkehr und flüchtet sich erst spät in sanftes Untersteuern. Im normalen Fahrbetrieb gefällt vor allem die Mischung aus gutem Fahrkomfort und agilem Handling. Klar, sauber abgestimmt beherrscht ein leichter Kleinwagen das spielend. Die Kehrseite der Medaille liegt jedoch in Haltbarkeit der Fahrwerksbuchsen. Egal, ob Radführungsgelenke, Koppelstangen, Spurstangenköpfe oder Querlenkerbuchsen: Sie alle sind nicht unbedingt für das ewige Leben bekannt – und das, obwohl der noch recht frische Clio 5 bisher im Schnitt keine allzu enormen Kilometerstände zusammenfährt. Eine weitere Renault-Unart, die uns auf der Hebebühne auffällt: die markentypisch völlig ungeschützten Bremsscheiben ohne Schutzblech auf der Innenseite. Hier sammeln sich Schmutz und Rost und sorgen für fiese Riefen auf der Scheibe. Übrigens sprechen wir bei diesen Mängeln allein von der Vorderachse. Die hinteren Trommelbremsen und die simple Achskonstruktion in Verbundlenkerbauweise machen keine Probleme.
Mängel: Viel Kleinkram, nur beim Getriebe wird's ernst
Im Netz ist von Getriebeschäden zu lesen. Betroffen ist zumeist die Fünfgangversion, wie sie in den Basisbenzinern und manchen LPG-Antrieben Verwendung findet. Die Laufleistungen in diesen Beiträgen sind manchmal erschreckend niedrig – weniger als 50.000 km hat ein betroffener Clio auf dem Tacho. Getriebefachwerkstätten werben eifrig mit Austauschaggregaten und untermauern damit diese Problematik. In den Foren wird ebenso die Klimaanlage thematisiert, deren Kondensator zum einen aus relativ dünnem Material gefertigt ist und zum anderen im Steinschlagbereich der Front liegt. Keine gute Mischung, weshalb das Kühlgerät bei der Besichtigung stets auf Funktion geprüft werden sollte.
Der Rest der Beschwerden betrifft die heute allgegenwärtigen Problemchen mit Konnektivität und Multimedia-Ausrüstung, die sich zumeist mittels Update der jeweiligen Steuergeräte beheben lassen. Im Testwagen gab es diesbezüglich keine Probleme, den würden wir ohne Weiteres empfehlen – wenn er nicht längst verkauft wäre. Lobenswert ist auch zu erwähnen, dass die Chaos-Bedienung älterer Renault-Infotainmentsysteme im Clio 5 viel besser gelöst wurde.
Preise: Günstig, nur nicht in der Versicherung
Knapp 1800 Gebrauchte warten in den Online-Börsen auf Käufer, etwas mehr als die Hälfte davon mit dem 91-PS-Dreizylinder-Turbo, wie ihn auch der Testwagen besitzt. Rund ein Drittel entfällt auf die Sauger mit 65 bis 72 PS. Diesel, Hybrid und die Vierzylinder mit 130 oder 140 PS sind dagegen nur Randerscheinungen, die Autogas-Ausführungen mit nur 1,4 Prozent Anteil fast schon Exoten. Bei runden 10.000 Euro für ordentliche Exemplare mit einfacher Ausstattung geht der Spaß los. Nur bei den Unterhaltskosten fällt leider auf, dass die Versicherer Renault mit relativ hohen Typklassen strafen, die sich beim Clio zwischen 18 und 21 (Haftpflicht), 17 und 21 (TK) sowie 18 und 20 (VK) bewegen.
Fazit
Über 15 Millionen Käufer können sich nicht irren. Zum Vergleich: Das sind fast doppelt so viele Clio, wie Renault bei vergleichbar langer Bauzeit vom Klassiker R4 verkaufen konnte, dem allgegenwärtigen Kleinwagen der 1960er- und 1970er-Jahre. Und der Clio läuft weiter. Für ihn spricht die Anspruchslosigkeit, speziell beim TCe 90. Trotzdem erfüllen Komfort und Verarbeitung auch höhere Ansprüche. Man kann es also durchaus mal mit dem sympathischen Clio probieren.
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