Und ausgerechnet der Sprinter als Paradepackpferd im schwäbischen Stall musste sich als Vollelektriker hier bislang mit maximal 158 WLTP-Kilometer beschränken. Mit der Neuauflage des „eSprinter“ wird sich das jetzt ändern. Und nicht nur das.
Die wesentlichen Neuheiten gleich mal vorweg: Anders als im aktuellen Stromer-Sprinter, der noch auf der konventionellem Verbrenner-Plattform aufbaute, wechselt der neue e-Sprinter von Front- auf Heckantrieb. Und während es bislang nur eine Kastenvariante in der Standardlänge (A2) gab, so ist der neue e-Sprinter nun auch in unterschiedlichen Karosserieformen und -längen (A2 und A3) mit Aus- und Aufbauten, wie sie bisher vom Sprinter mit Verbrenner bekannt waren, zu haben.
Viele Kombinationen machbar
Möglich machen das ein modularer Aufbau und die neue elektrische Hinterachse. Das Frontmodul umfasst als einheitlicher Vorbau nun sämtliche Hochvolt-Komponenten und kann, unabhängig von Radstand und Batteriegröße, mit allen Fahrzeugvarianten kombiniert werden. Im Unterboden zwischen den Achsen steckt das Modul für die integrierte Hochvoltbatterie, das zusammen mit dem schützenden Batteriegehäuse für einen niedrigen Schwerpunkt sorgt. Und das Heckmodul schließlich beherbergt den neuen eATS-Antriebsstrang, bestehend aus elektrisch angetriebener Hinterachse und integrierter E-Maschine. Der Permanentmagnet-Synchronmotor leistet in der Spitze wahlweise 100 oder 150 Kilowatt bei jeweils identischen 400 Nm Drehmoment. Zum Vergleich: Der jetzige eSprinter ist nur mit einem 85-kW-Motor erhältlich.
Und auch bei den Hochvolt-Batterien gibt es nun eine größere Auswahl. Sind im aktuellen Modell nur zwei Akkus mit 35 kWh oder 47 kWh verbaut, so stehen dem neuen e-Sprinter nun gleich drei Stromspeicher mit 56 kWh, 81 kWh oder 113 kWh zur Verfügung. Das Besondere daran: Dank veränderter Zellchemie (Lithium-Eisenphosphat) können alle drei auf die unter humanitär wie ökologisch problematischen Bedingungen geförderten Bestandteile Kobalt und Nickel verzichten. Für die stärkste Version gibt Mercedes Reichweiten bis zu 400 Kilometern an. Bei einem ersten Probelauf unter Realbedingungen mit einem Vorserienmodell kamen zwei Test-Ingenieure von Mercedes auf der Strecke Stuttgart-München und zurück mit einem TÜV-zertifizierten Verbrauch von 21,9 kWh mit einer Akkuladung sogar auf 475 Kilometer (siehe Video). Im WLTP-City-Zyklus sollen auch bis zu 500 Kilometer drin sein.
Laden optional schneller
Dafür hängt der e-Sprinter gegenüber dem alten auch etwas länger an der hinter dem Stern im Kühlergrill untergebrachten Ladebuchse. Aufgeladen werden die Batterien per Wechselstrom (AC) dreiphasig mit maximal 11 kW oder an öffentlichen Säulen via Gleichstrom (DC) mit maximal 115 kW. Wobei letzteres nur gegen Aufpreis, serienmäßig liegt die Ladeleistung bei 50 kW. Unter Idealbedingungen sollen die Akkus je nach Größe an der DC-Säule (mit 115 kW) dann in 28 bis 42 Minuten zu 80 Prozent gefüllt sein. An der AC-Wallbox soll eine komplette Ladung fünfeinhalb bis elf Stunden dauern.
Während Mercedes das Design außen wie innen nicht angetastet hat, zog in Sachen Digitalisierung und Infotainment das aus den Pkw-Modellen bekannte MBUX-System (Mercedes-Benz User Experience) mit der neuesten Softwaregeneration in den Transporter ein. Darunter neben dem Sprachassistenten „Hey Mercedes“ auch das clevere Navigationssystem, das zum Beispiel in Echtzeit abhängig von der aktuellen Verkehrslage und der Topografie die jeweils aktuelle Reichweite und bestmögliche Ladestrategie berechnet, um schnellstmöglich oder mit dem gewünschten Ladestand ans Ziel zu kommen. Auch das Authentifizieren an der Ladesäule funktioniert einfach über MBUX und das Bezahlen via Mercedes me.
Europa-Start Ende des Jahres
Gebaut wird der e-Sprinter in den drei Werken Charleston (US-Bundesstaat South-Carolina), Düsseldorf und Ludwigsfelde bei Berlin, für deren Anpassung Mercedes jeweils 50 Millionen Euro investiert hat. Die Markteinführung soll im zweiten Halbjahr 2023 beginnen, zunächst jedoch nur in den USA und Kanada als langer Kastenwagen mit Hochdach, größter Batterie und höchster Reichweite. Das Modell verfügt über ein Ladevolumen von 14 Kubikmeter, das zulässige Gesamtgewicht beträgt bis zu 4,25 Tonnen.
Auch in Europa startet Mercedes die Einführung mit dieser Version, wenn auch erst zum Ende dieses Jahres. Die weiteren Karosserie- und Batterievarianten als Basisfahrzeug für neue Branchen sowie Aus- und Aufbauhersteller sollen anschließend sukzessive folgen. Damit folge der neue eSprinter der Strategie, „mit den begehrenswertesten Transportern die Führungsposition bei der Elektromobilität einzunehmen“, sagt Mathias Geisen, Leiter Mercedes-Benz Vans. Kleiner geht’s offenbar gerade nicht bei den Schwaben. Möglicherweise werden VW, Opel, Ford, Fiat und Renault mit ihren zahlreichen E-Transportern da noch ein Wörtchen mitzureden haben. (cen)
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