Mercedes-AMG SL 63: Heiß - aber der Preis ...

2 Jahre, 3 Monate her - 30. August 2022, Krone Zeitung
Mercedes-AMG SL 63
Mercedes-AMG SL 63
SL, das sind zwei Buchstaben, die bei Mercedes-Benz beinahe so viel Tradition haben wie DS bei Citroen. Also viel. Nun bringt Daimler das Kürzel mit drei anderen legendären Buchstaben zusammen: AMG.

Die Sportabteilung ist neuerdings alleinverantwortlich für den schicken Roadster - und führt mit ihm gleich die Plattform für den kommenden AMG GT ein. Das tut dem Mercedes-AMG SL 63 gut, findet „Krone“-Motorredakteur Stephan Schätzl, der mit dem Wagen einen Nachmittag unterwegs war. Seine Eindrücke hier im Video!

Jedes Ding hat zwei Seiten, auch der AMG SL. Seine Rückseite ist elegant, aber brav. Die Front hingegen ist so mächtig, dass man ihn glatt für einen GT halten könnte. Und das ist er strenggenommen auch, denn er hat nicht nur die Plattform des kommenden AMG GT unterm Blech, er wird auch tatsächlich den AMG GT Roadster ersetzen. Außerdem hat er den 585 PS starken Biturbo-V8 unter der Haube, der in Affalterbach traditionell in Handarbeit gefertigt wird. One man, one engine. Ein Mann baut komplett ein Triebwerk zusammen, per Unterschrift dokumentiert.

Dieses Vierliter-Gerät muss nicht brüllen, kann aber, im entsprechenden Fahrmodus, genau das verbreiten, was Benzinbrüder selig grinsen lässt und anderen ein schlechtes Gewissen oder Zornesfalten bereitet. Je nach Neigungsgruppe. 800 Nm sorgen jedenfalls ab 2500/min. für einen ordentlichen Tritt in den Hintern sowie einen Sprintwert von 3,6 Sekunden für den Hunderter. Nicht den Luft-Hunderter, sondern den fürs Gemüt. Apropos Luft: Die darf gerne extrem an der Frisur zerren, der SL geht auch offen 315 km/h.

Dafür, dass die 3,6 Sekunden nicht nur von Profis zu erreichen sind, sorgen serienmäßig Neungangautomatik und Allradantrieb.

Hightech-Fahrwerk vom Feinsten
Das Topmodell des SL trumpft in Sachen Fahrwerk (10 mm tiefergelegt) mit feiner Ware auf: Die Adaptivdämpfer passen sich den Ansprüchen des Fahrers uns seiner Wirbelsäule an, die Hinterradlenkung sorgt bis 100 km/h durch zu den Vorderrädern gegensinniges Lenken für bestechende Wendigkeit und die semiaktive, hydraulische Wankstabilisierung verhindert Seitenneigung auch in heftigen Kurven wirksam. Dazu vermittelt die Lenkung eine angenehm mitteilsame Verbindung zur Straße - anders als das etwa beim AMG EQE der Fall ist.

So ausgerüstet liegt der SL sehr stabil in Kurven. Ja, man merkt ihm an, dass er auf 1,9 Tonnen zugelegt hat, aber das tut der Fahrdynamik keinen Abbruch. Das Fahrwerk ist sportlich, aber weist auch noch Komfort auf, wahrscheinlich deutlich mehr, als dies der GT tun wird.

Schnell ist auch das Stoffverdeck: In 15 Sekunden lässt es sich öffnen bzw. schließen, und das bei einer Fahrgeschwindigkeit bis zu 60 km/h. Leider ist der Vorgang des Öffnens deutlich weniger lustvoll als das Offenfahren an sich.

Klassischer Innenraum, aber zu digital
Sportlich elegant geht es zu im Innenraum des SL. Der Tacho ist zwar digital, aber in einer Höhle untergebracht statt aufgesetzt, wie das sonst mittlerweile bei Mercedes üblich ist. Das freut Freunde klassischer Sportwagen. In der Mitte thront allerdings ein 11,9 Zoll großes Zentraldisplay, über welches man das MBUX-Navitainment bedient. Es lässt sich leicht in der Neigung verstellen, damit das Sonnenlicht nicht spiegelt.

Über das Display bedient man auch das Verdeck. Dazu drückt man auf eine Touchfläche unterhalb und schiebt anschließend ein Feld auf dem Bildschirm zur Seite. Dort muss man es festhalten, bis die Dachbewegung beendet ist. Diese seltsame Funktion zeigt ziemlich gut, dass es den Entwicklern nicht um angenehmes Bedienen gegangen sein kann, sondern sie andere Vorgaben hatten. Welche auch immer. Vermutlich steht ein €-Zeichen dahinter. Nur so ist auch zu erklären, dass mittlerweile alle Mercedes Touchelemente statt Tasten an Mittelkonsole und Lenkrad mitbringen, die einen Fahrer immer wieder zur Weißglut treiben können, weil sie nicht gut zu bedienen sind.

Wenn die Hälfte reicht
Der neue SL ist erstmals auch mit Vierzylindermotor erhältlich. Als AMG SL 43 leistet er 381 PS und läuft immerhin 275 km/h. Die einzige hinterradgetriebene Version ist mit 1735 kg (nach DIN) das Leichtgewicht im Bunde und sprintet in 4,9 Sekunden auf 100. Der Einstiegspreis liegt bei gut 153.000 Euro.
Den V8 mit Allradantrieb gibt es in zwei Eskalationsstufen: Der SL 55 leistet 476 PS und kostet 211.000 Euro, der hier beschriebene SL 63 kommt auf einen Basispreis von über 252.000 Euro. Beim Testwagen summiert sich der Preis mit Extras auf 293.000 Euro.

Viele Assistenzsysteme sind serienmäßig, der Rest aus der Daimler-Palette ist gegen Aufpreis zu haben. Man bekommt also ein Auto wie früher - aber keinesfalls eines von gestern.

Warum?
Ein V8, wie wir ihn lieben
Fährt sich angenehm AMG-mäßig

Warum nicht?
Zu viel Getatsche für einen klassischen Roadster

Oder vielleicht …
… Porsche 911 Turbo Cabriolet, Jaguar F-Type Cabriolet

Uunterstützen die Ukraine