Wie Porsche hat nun auch Maserati schon den zweiten Hochbeiner auf dem Markt: Der Grecale greift direkt den Macan an. Sein Hersteller verspricht, dass er sich wie ein richtiger Maserati fährt. Ob das stimmt, erfahren Sie hier im Video-Fahrbericht von „Krone“-Motorredakteur Stephan Schätzl
„Ist das der neue Alfa Romeo Stelvio?“ fragt mich mein Nachbar, als er den Maserati Grecale im Carport sieht. Dabei hätte er sogar den Schriftzug auf der elektrischen Heckklappe (übrigens ohne Kick-Sensor!) im Blickfeld gehabt. Aber dass da Maserati steht, ist wohl so ungewöhnlich, dass das Gehirn es ausblendet. Nun ja, Stelvio und Grecale teilen sich die Giorgio-Plattform, auf der auch die Giulia steht. Einen Quattroporte hätte er wohl eher nicht verwechselt.
Ein mächtiger Kühlergrill mit dem markentypischen Dreizack, dazu die drei kleinen Lüftungsgitter beidseits an den vorderen Kotflügel, das sind die Stellen, an denen man den Grecale auf Anhieb als Maserati erkennt. Ansonsten ist er einfach ein einigermaßen dynamisch gezeichnetes 4-Meter-85-SUV. Die Matrix-LED-Scheinwerfer liegen in der Front wie in einem Porsche, die seitliche Linie könnte von Audi stammen, die Heckleuchten mit ihrem leicht grantigen Blick erinnern an Jaguar.
Im Innenraum viel Leder, ein hohes, massives Armaturenbrett, Eleganz, aber kein Luxus, und vor allem: keine Knöpfe und Schalter. Außer am verhältnismäßig überladenen Lenkrad. Ja, und bis auf die Tasten, mit denen man die Fahrstufen einlegt. Und damit bin ich schon beim ersten massiven Kritikpunkt in Sachen Bedienung.
Mühsame Fahrzeugbedienung
Ein Automatik-Wählhebel wäre die deutlich bessere Wahl gewesen, denn die Tasten muss man bei jedem Rangieren neu suchen, muss sie anschauen, bis man sie gedrückt hat und vor allem: Selbst dann kann man nicht sicher sein, dass die Fahrstufe tatsächlich eingelegt wurde, obwohl die Taste spürbar ausgelöst hat. Man muss das also am Display überprüfen. Beim schnellen Rangieren wäre ich einmal beinahe in den Graben gefahren, weil auch nach festem Knopfdruck nicht R, sondern noch immer D eingelegt war und ich das erst bemerkt habe, als das Auto einen Satz nach vorn gemacht hat.
Das Bediensystem baut auf zwei Displays auf, wovon das 8,8 Zoll große vor allem für die Regulierung der Klimaanlage vorgesehen ist. Es werden damit aber auch Funktionen wie das Abschalten des ESP, die Nebelschlussleuchte, das Aktivieren der Matrix-Scheinwerfer oder das Dimmen von Tacho und Ambientebeleuchtung gesteuert. Es ist unübersichtlich gestaltet und viel zu tief platziert, wodurch seine Bedienung während der Fahrt unnötig ablenkt. Daneben kann man durch Wischen auf dem Glas die Lautstärke verändern. Das funktioniert fehlerfrei, aber jeder klassische Lautstärkeregler wäre überlegen.
Das obere, 12,3 Zoll große Display kann man eigens dimmen oder sogar abschalten. Es macht einen besseren Eindruck, auch wenn die Menüführung nicht der Weisheit letzter Schluss ist.
Oberhalb thront eine Analoguhr. Aber nur auf den allerersten flüchtigen Blick. Denn tatsächlich handelt es sich um ein kleines rundes Display, ohne echten Zeiger, das nicht nur unterschiedliche Uhren darstellen kann, sondern u.a. auch G-Kräfte sowie Gas- und Bremspedalstellung anzeigen kann. Konfiguriert wird auch das über den unteren Touchscreen.
Auch der Tacho ist ein 12,3-Zoll-Display. Es kann klassische Rundinstrumente darstellen.
Ein Lenkrad aus guten, alten Zeiten, aber …
Ein Mini-Akkordeon alter Schule bietet das Lenkrad. Das ist angesichts des Display-Overkills ungewöhnlich, aber begrüßenswert. Denn die Tasten sind so gut bedienbar, wie es Tasten nun mal sind. Eine Weisheit, die bei vielen Herstellern wohl langsam verloren geht. Tempomat, Adaptiv-Abstand, Bordcomputerbedienung, alles da. Für Lautstärke und Track-/Senderwechsel war offenbar kein Platz mehr - die Tasten für beides ertastet man intuitiv auf der Rückseite des Lenkrades (wenn man es weiß).
Die Schaltpaddles sind an der Lenksäule fix befestigt, drehen sich also nicht mit dem Lenkrad mit und sind deshalb sehr lang. Angenehm: Sie bestehen aus immer kühlem Metall und man trifft sie auch beim Schalten in der Kurve, auch in engen Kurven, wenn man umgreifen muss. Unangenehm: Sie sind eigentlich immer irgendwie im Weg. Vor allem wenn man die Lenkstockhebel für Blinker und Scheibenwischer betätigt, aber man kommt auch sonst beim Fahren öfter mit den Fingerknöcheln an.
Top-Vierzylinder mit ungewöhnlichem Sound
Drei Motoren bietet Maserati für den Grecale an. Der vermutlich markentypischste dürfte der V6 sein, der den Weg aus dem Sportwagen MC20 in das SUV gefunden hat, dabei aber auf 530 PS gedrosselt wurde.
Ansonsten gibt es zwei Zweiliter-Vierzylinder-Benziner mit 300 oder 330 PS, die bei 2000 Touren ein maximales Drehmoment von 450 Nm bereitstellen. Der von mir gefahrene schwächere Benziner irritierte mit seinem brummigen Klang, der teilweise an einen Diesel erinnert.
Seine Stärken entfaltet das Triebwerk, wenn es in Bewegung ist, denn Kraft und Ansprechverhalten sind sensationell. Jeder Gaspedaldruck wird sofort in Vortrieb umgesetzt, auch die Achtgangautomatik verzögert nicht. Das Geheimnis des Motor-Erfolges: Ein relativ großer Turbolader wird von einem elektrisch betriebenen Kompressor unterstützt, der das Turboloch randvoll auffüllt. Die Energie dafür kommt aus dem 48-Volt-Bordnetz bzw. einer Batterie, die von einem riemengetriebenen Startergenerator gespeist wird. Da kommt Freude auf. Beim Tanken trifft das weniger zu, aus dem WLTP-Verbrauch von 9,2 l/100 km wurden 12 Liter. Bei leicht ambitionierter Fahrweise auch gerne mehr.
In Beschleunigung ausgedrückt: Der Grecale sprintet mit dem kleinen Vierzylinder offiziell in 5,6 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100. Wie gut das eigene Exemplar diese Disziplin beherrscht, kann man mit Launch Control und integrierter automatischer Stoppuhr ausprobieren (siehe Video). Drehen lassen sie den Motor bis knapp über 6000/min., bei 240 km/h ist Schluss mit Beschleunigung.
Tadellose Lenkung, feines Fahrwerk
Sehr gelungen ist die Abstimmung des Fahrwerks. An Bord hatte ich das optionale Adaptivfahrwerk, das einerseits komfortables Gleiten, andererseits aber auch einen dynamischen Fahrstil zulässt. Im Sportmodus lenkt der Grecale angesichts eines Leergewichts von 1,9 Tonnen durchaus gierig ein. Sein serienmäßiger Allradantrieb schickt in flotten Kurven Kraft an die Hinterräder, wodurch der Maserati herrlich neutral ums Eck geht, Tendenz eher über- als untersteuernd. Serie ist ein Stahlfahrwerk mit Standarddämpfern, optional ist auch ein Luftfahrwerk erhältlich, mit dem man die Bodenfreiheit um insgesamt 6,5 Zentimeter variieren kann.
Preise
Die Exklusivität eines Maserati muss man sich etwas kosten lassen, unter 91.704 Euro ist nichts zu machen. Dafür bekommt man die GT-Ausstattung mit dem 300-PS-Motor. Knapp 14.000 Euro Aufpreis legt man für die Ausstattung Modena sowie die 30 Mehr-PS hin. Die Topausstattung Trofeo gehört zum V6 und kostet 151.555 Euro. Der Testwagen kommt mit Extras auf 117.000 Euro.
Die Basis-Ausstattung GT umfasst unter anderem 19-Zoll-Alus, Matrix-LED-Scheinwerfer, das Sonus-Faber-Soundsystem mit 14 Lautsprechern, aber weder Sperrdifferenzial noch Navi. Man kann alles, was man braucht, als Extra oder im Paket dazubestellen, bis hin zum Radartempomaten mit Spurführungsassistent. Allerdings erwies sich die Spurführung als unzuverlässig und der Tempomat lässt nur Geschwindigkeiten bis 150 km/h zu.
Fahrzit
Emotional gesehen ist es schwierig, im Grecale einen Maserati wahrzunehmen. Zu unemotional der Motorsound, zu digital (und dabei nicht gut bedienbar) im Innenraum, zu beliebig das Design. Aber: In seinen Fahreigenschaften ist der Vierzylinder eine Wucht, auch Fahrwerk und Lenkung sind für ein 1,9-Tonnen-SUV als gelungen zu bezeichnen. Ob das reicht, um sich ein Maserati-SUV zuzulegen, muss jeder für sich selbst herausfinden.
Warum?
Sehr spritziger Vierzylinder
Gute Fahreigenschaften
Strahlkraft der Marke
Warum nicht?
Schwacher Motorsound
Hoher Verbrauch
Oder vielleicht …
… Porsche Macan, BMW X3, Mercedes GLC
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