Erste Fahrt im neuen Multivan-Konkurrenten

2 Jahre, 5 Monate her - 29. Oktober 2021, auto motor und sport
Erste Fahrt im neuen Multivan-Konkurrenten
Der neue Hyundai Staria tritt gegen Mercedes V-Klasse und VW Multivan an. Was der Van kann und was nicht, erzählen wir im ersten Fahrbericht.

Wir sprechen auf diesen Seiten oft über verschiedene Mobilitäts-Konzepte auf der Straße, der Schiene und in der Luft. Kann man das nicht mal in einer Geschichte kombinieren? Da passt es ganz gut, dass plötzlich ein schwarzer Kasten um die Ecke biegt. Eine Zeitmaschine? Aus der Zukunft könnte er sein.

Klare Formen, ein dünner LED-Streifen über tiefen Scheinwerfern an der Front und LED-Rückleuchten in Pixel-Optik lassen das Auto wie ein Concept Car auf dem Weg zum Messeauftritt sorgen. Dann hört man das Geräusch eines Dieselmotors und erkennt: Der Hyundai Staria fährt im Hier und Jetzt. Was das alles mit Straße, Schiene und Luft zu tun hat? Das klären wir in den nachfolgenden Zeilen.

Mit dem neuen Staria will Hyundai im Segment der Großraum-Limousinen vornehmlich gegen die etablierten Vans Mercedes V-Klasse und VW Multivan antreten. Den Wettbewerb um den optischen Aufritt gewinnt der Koreaner schon einmal für sich. Das zeigen auch die Blicke der Passanten, die uns während der ersten Testfahrten verfolgen.

ICE-Style im Cockpit

Hinter der großen Windschutzscheibe fühlt man sich als Fahrer wie der Lokführer eines ICE – und schon sind wir beim Thema Schiene. Gleise nutzt der Staria aber nicht, dennoch eignet auch er sich wunderbar zum Kilometersammeln. Die Instrumente sind auf einem digitalen Display versammelt, das sich weit oben und nah an der Scheibe zeigt. Man blickt also über den Lenkradkranz auf den Monitor, davor ist noch Platz für eines von vielen Ablagefächern.

Das Navigationssystem, dessen Anzeige den 10,25 Zoll großen Touchscreen-Monitor in der Mittelkonsole nutzt, weist den Weg dank Online-Zugang auch mit Echtzeit-Verkehrsdaten.

Der aus Hyundai Santa Fe und Kia Sorento bekannte 2,2 -Liter-Dieselmotor arbeitet gut gedämmt im Hintergrund. Er leistet hier 130 kW / 177 PS und stellt sein maximales Drehmoment von 430 Newtonmetern bereits ab 1.500 U/min zur Verfügung. Die serienmäßige Achtgang-Automatik hat also leichtes Spiel damit, den immerhin 2,4 Tonnen schweren Van voranzubringen. 13,5 Sekunden für die Beschleunigung von null auf 100 km/h sind klassengerecht, 185 km/h Höchstgeschwindigkeit mehr als ausreichend. Wer schneller fahren will, muss also doch in den ICE.

"Thank you for travelling with us” kann man aber auch im Hyundai Staria seinen Fahrgästen zunuscheln. Und muss dabei nicht mal die Stimme heben. Denn eine Gegensprechanlage erlaubt die entspannte Kommunikation im Innern des großen Kastens. Außerdem lässt sich über eine im Mikrofaser-Dachhimmel eingelassene Kamera auch Blickkontakt mit den Passagieren halten.

Business Class in der zweiten Reihe

Und damit kommen wir zum Thema Flugzeug. Denn die Aufteilung im Staria-Innenraum erinnert an Linienmaschinen. Hinter dem Cockpit liegt die Business Class. Hier bietet die noble Ausstattungslinie Signature, mit der Hyundai den Verkauf des Staria startet, zwei Komfortsitze mit Heizung und Belüftung. Auf Knopfdruck lassen sie sich flachlegen, eine zusätzliche Beinauflage sorgt für Entspannung. Getränke finden im ausklappbaren Becherhalter am hinteren Ende der Mittelkonsole einen sicheren Platz. Jacken oder Taschen können an den Lehnen der Vordersitze aufgehängt werden.

Wie im Flugzeug muss man durch die Business Class hindurch, um ins Economy-Abteil zu gelangen. Denn die großen Sitze der zweiten Reihe lassen sich nicht nach vorne klappen, also findet man den Weg nach ganz hinten durch die Mitte. Hier wartet eine bequeme 3er-Sitzbank auch auf große Menschen. Ambientelicht, Ablagen und USB-Anschlüsse sorgen für Alltagstauglichkeit. Schade: Die Sitzbank hat, im Gegensatz zu den Sitzen eine Reihe weiter vorne, keine Isofix-Verankerungen für Kindersitze.

Die hinteren Seitenfenster lassen sich manuell ausstellen. Eine elektrische Betätigung, die man auch vom Fahrerplatz aus vornehmen kann, wäre praktischer. Ganz hinten bleibt Platz für überschaubares Gepäck. Je nach Position der auf den Schienen im Boden verschiebbaren Rücksitzbank bleiben 117 bis 431 Liter Volumen übrig. Zu wenig für Kinderwagen oder Hundebox. Familien, Tierfreunde oder Sportler mit großem Equipment müssen also auf weniger reiseorientierte Ausstattungsvarianten des Hyundai Staria warten.

Zurück auf der Straße
Nachdem wir also auf dem Boden der Tatsachen gelandet sind, nehmen wir wieder Straßen unter die Räder. Das Fahrwerk des Hyundai Staria ist recht straff abgestimmt. Frost- oder Wurzelaufbrüche reichen die Dämpfer teils trocken durch. Ein Luftfahrwerk oder adaptive Dämpfer, wie es Mercedes beziehungsweise VW gegen Aufpreis bieten, gibt es für den Staria nicht. Trotzdem lullt dich der große Koreaner schnell mit seinem Komfort ein. Auf dem bequemen Fahrersitz genießt man die gute Aussicht dank niedriger Fensterkanten und das niedrige Geräuschniveau im Auto.

9,8 Liter Diesel haben wir auf den Probefahrten laut Bordcomputer verbraucht. Zeit zum Leerfahren und Nachtanken gab es nicht, denn mit üppigen 75 Litern Tankvolumen verspricht der Diesel-Staria große Reichweiten. Den WLTP-Normwert gibt der Hersteller übrigens mit 8,9 Litern je 100 Kilometern an. Überraschendes Detail: Eine Start-Stopp-Automatik für Spritersparnis beim Ampelhalt gibt es nicht.

Nur 1.500 kg Anhängelast
Der optionale Allradantrieb, mit dem unser Testwagen ausgestattet war, schickt im Regelfall 100 Prozent der Antriebskraft nach vorne. Je nach Bedarf kann er die Verteilung variabel bis zum 50/50-Split vornehmen. Per Tastendruck lässt sich die gleichmäßige Verteilung an Vorder- und Hinterachse auch fixen. Die 4WD-Option ist vor allem für Gespannfahrer interessant. Mit einer Anhängelast von 1.500 Kilogramm wirft sich der Hyundai Staria bei dieser Zielgruppe aber weniger gut ins Rampenlicht als V-Klasse und T6.1 Multivan, die 2.500 Kilogramm an den Haken nehmen können.

Niedrigere Zahlen schreibt Hyundai aber nicht nur ins Datenblatt, sondern auch in die Preisliste. Der als Signature mit Nappaleder, Bose-Soundsystem, Navigation, 18-Zoll-Felgen, dunklen Scheiben im Fond und allerlei Fahrassistenz bis hin zu Kamerabildern des Totwinkelwarners sehr gut ausgestattete Hyundai Staria Signature kostet ab 56.150 Euro, als Allradversion 58.150 Euro. Mercedes V250d oder VW Multivan sind mit vergleichbarer Ausstattung um einen fünfstelligen Betrag teurer. Dafür muss der Hyundai-Kunde auf adaptive Scheinwerfer verzichten; die LED des Staria bieten nur einen herkömmlichen Fernlichtassistenten.

Wenig Auswahl bleibt auch bei der Karosserielänge. Mit 5,25 Metern bietet der Hyundai Staria maximalen Platz für die Passagiere, passt aber nicht mehr auf Normparkplätze. Die V-Klasse "Lang" überragt er um immerhin zwölf Zentimeter. Tiefgaragen und Parkhäuser kann man aber auch mit dem Koreaner in Angriff nehmen, denn mit 1,99 Metern bleibt seine Höhe knapp unter dem meist angegebenen Maximum.

FAZIT
Der Hyundai Staria beeindruckt mit seinem futuristischen Design und dem hohen Komfort im Topmodell Signature. Der Dieselantrieb passt zum großen Reiseauto, wirkt aber weniger zukunftsorientiert als es der erste Eindruck vermuten lässt. Doch ein Elektro-Staria mit Brennstoffzelle ist bereits angekündigt.

Preislich liegt der Luxus-Van deutlich unter der Konkurrenz. Im Vergleich zu Mercedes und VW passen die drei Jahre Garantie. Nicht jedoch mit Blick auf den Rest des Hyundai-Modellprogramms, bei dem fünf Jahre gelten.

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