Dacia: Vom Karpaten-Renault zum coolen Preishit

2 Jahre, 1 Monat her - 12. MĂ€rz 2023, Krone Zeitung
Dacia: Vom Karpaten-Renault zum coolen Preishit
Heute ist Dacia eine profitable Tochter des Renault-Konzerns, die mit preiswerten Kompakten rund um den Globus von Erfolg zu Erfolg eilt.

Kaum bekannt ist, dass die Wurzeln dieser Weltautos in einem 80 Jahre alten Flugzeugwerk am Rand der Karpaten liegen. Von dort aus reĂŒssiert Dacia seit 1968 in RumĂ€nien, aber auch in Österreich - hierzulande allerdings noch nicht so lang wie bei unseren Nachbarn.

Es ist eine Auswanderer-Karriere, die sich fĂŒr den Renault-Konzern bis heute auszahlt. Vor 55 Jahren exportierten die Franzosen erstmals Familienautos und Fertigungsanlagen ins damals ferne, weil hinter dem „Eisernen Vorhang“ des Ostblocks liegende RumĂ€nien. Unter der Marke Dacia, einem historischen Namen fĂŒr das heutige RumĂ€nien, sollte ein DoppelgĂ€nger des brandneuen Renault 12 das Agrarland zwischen SchwarzmeerkĂŒste und Karpaten zum modernen Industriestandort transformieren und als erstes lokal gebautes Volksauto in Millionenauflage gehen.

Ein Aufbau Ost, der schneller erfolgte als gedacht, zumal das Dacia-Werk in der Industriestadt Pitesti aus einer 1943 gegrĂŒndeten Fabrik fĂŒr Flugzeugmotoren hervorging. Noch vor dem DebĂŒt des französischen Genspenders Renault 12 rollte am 23. August 1969 - passend zum rumĂ€nischen Nationalfeiertag - der erste Dacia 1300 vom Band. TatsĂ€chlich legten die RumĂ€nen ein so rasantes Tempo beim Fabrikbau vor, dass der Einstieg in die Pkw-Produktion schon 1968 mit dem Heckmotortyp Dacia 1100 alias Renault 8 Major gelang.

Zum ersten Millionseller des Landes avancierte aber die Dacia-1300-Serie, die bis 2006 verkauft wurde, als Alternative zu Lada & Co ĂŒbrigens auch im bis 1989 geteilten Deutschland. In Österreioch war von Dacia noch nichts zu sehen.
Als der politische „Wind of Change“ damals auch RumĂ€nien verĂ€nderte, wagte Dacia einen Relaunch. Seit 1999 als Teil des Renault-Konzerns, und die Franzosen schafften, woran andere scheiterten: Der Dacia Logan/MCV verblĂŒffte als global billigster FĂŒnf- bis Siebensitzer. Vom Billigheimer zur coolen Marke fĂŒr bezahlbare AutomobilitĂ€t, dieser Sprung gelang Dacia dann mit SUVs wie dem Duster.

Seit 17 Jahren in Österreich
Den Automarkt mit einer Low-Budget-Marke aufmischen, das wollten zu Beginn des 21. Jahrhunderts viele Hersteller. Aus China gab es Kei-Car-Kopien und Indien wollte die Massen vergeblich von den VorzĂŒgen des Tata Nano ĂŒberzeugen. Großer Nutzwert zum kleinen Preis - das war auch das Versprechen, mit dem der Dacia Logan ab 2004 in Deutschland und zwei Jahre spĂ€ter in Österreich antrat.
Die zunĂ€chst von Renault verkĂŒndete 5000-Euro-Zielvorgabe verpasste der Logan in Deutschland mit Preisen ab 7200 Euro zwar deutlich, aber er punktete als gerĂ€umiger Preisbrecher im VW-Golf-Format mit akzeptabler Sicherheitsausstattung. Sensation: FĂŒr den Preis eines Golfs gab es zwei gut ausgestattete Logan.
Im Jahr 2008 folgte der Dacia Sandero mit schickem Fließheck, der bei 77 HĂ€ndlern im Schauraum stand (heute sind es exakt 100). Im ersten Jahr wurden allein in Österreich 1154 StĂŒck verkauft, bis 2022 waren es hierzulande insgesamt 37.733. Damit ist der Sandero in Österreich bis heute das meistverkaufte Modell der Produktpalette.

Dann wirbelte der Duster Staub auf
Als zwei Jahre spĂ€ter der Duster das SUV-Segment aufwirbelte, lag es an Fußballstar Mehmet Scholl, das rumĂ€nische „Statussymbol fĂŒr alle, die keine Statussymbole brauchen“ als Markenbotschafter noch begehrenswerter zu machen. TatsĂ€chlich schien Dacia nun fast alles zu gelingen, zumal der gĂŒnstige Duster als erstes Modell der Marke eine echte Fan-Community gewann.
Schließlich verschaffte sich der Duster auch bei Rallyes und im Einsatz fĂŒr Hilfs- und Rettungsdienste Respekt. Warum teure asiatische oder deutsche Allradtechnik, wenn es auch ein Duster fĂŒr wenig mehr als 10.000 Euro tut? Dacia ist nun endgĂŒltig eine Marke, die Kunden in rund 45 LĂ€ndern auf der Wunschliste haben, wobei die Autos allerdings mancherorts mit Renault-Logo vertrieben werden.
Outdoortrends bedient Dacia bis heute, wie auch das Offroad-Concept Car Manifesto und der kĂŒnftige SUV Bigster zeigen. Hinzu kommt seit 2021 der Stromer Dacia Spring, ein fĂŒnftĂŒriger Cityflitzer, der zur Messlatte fĂŒr billige chinesische Newcomer avancierte.

Preiswerte Produkte, die vor allem Privatkunden erreichen, damit setzt Dacia den Volksauto-Kurs fort, der 1966 zur GrĂŒndung der Marke fĂŒhrte. Damals drĂ€ngte das sozialistische RumĂ€nien mit Macht zur Moderne, die BĂŒrger sollten sich den Traum vom eigenen Automobil erfĂŒllen können.
Nebenbei benötigten auch Behörden und der Parteiapparat von Staatschef Nicolae Ceaușescu schicke Autos im westeuropĂ€ischen Design. Schließlich sollte der Sowjetunion gezeigt werden, dass in Pitesti, dieser Industriestadt am Rande der Karpaten, zukunftsweisende frontangetriebene Mittelklasse-Fahrzeuge gebaut wurden, die es mit konservativen Moskwitsch und den fĂŒr 1970 avisierten Lada-Modellen aus Fiat-124-Lizenz aufnahmen.

Wunsch-Renault blieb RumÀnien verwehrt
TatsĂ€chlich wĂ€hlte Ceaușescu aus dem Kreis der Lizenz-Kandidaten deshalb nicht Fiat; aber auch Alfa, Austin, Peugeot und DKW schieden aus. Den grĂ¶ĂŸten Fortschritt versprachen Renault-Typen - den eigentlich von RumĂ€nien gewĂŒnschten R16 lieferten die Franzosen aber nicht. DafĂŒr boten sie ein schickes Auto ohne Schnickschnack, das auch in Westeuropa fĂŒr Furore in der Verkaufsstatistik sorgen sollte: Der Renault 12 (als viertĂŒrige Limousine und spĂ€ter auch als Kombi) zĂ€hlte um 1970 zu den schönsten Sonderangeboten. Noch billiger war nur das Parallelangebot Dacia 1300.
Dacia-Provokation gegen Renault
Pitesti wagte sogar einen Schnellschuss: Entgegen den Absprachen debĂŒtierte der Dacia 1300 schon neun Tage vor dem Renault 12, aber Paris reagierte nicht auf diese Provokation. Dacia und die Deutschen, diese Geschichte begann Anfang der 1970er in der damaligen DDR, aber auch BundesbĂŒrger konnten „Die Alternative in Preis und Leistung: Dacia“ kaufen. TatsĂ€chlich kostete der Dacia in der Bundesrepublik gut 40 Prozent weniger als ein R12, dafĂŒr mussten die KĂ€ufer des Karpaten-Renault Kompromisse bei der FertigungsqualitĂ€t hinnehmen.
In der DDR wurde der RumĂ€ne im adretten Renault-Design dagegen zu ambitionierten Preisen verkauft. So wechselten nicht wenige Besteller auf einen Lada, als sich die anfĂ€nglichen QualitĂ€tsdefizite des Dacia herumsprachen. Allerdings lernte Dacia rasch und so entwickelte sich der Renault-Klon zu einem Exportschlager, der ab 1975 unter dem Slogan „Dacia Mamamia!“ (Der Abba-Nummer-1-Hit „Mamma Mia“ lĂ€sst grĂŒĂŸen) u.a. in Westeuropa, Kanada, SĂŒdafrika oder China zu haben war.

Derweil entfalteten die Designer in Pitesti ungeahnte KreativitĂ€t: Der Dacia 1300 mutierte zur Typenfamilie 1310 bis 1410, dies inklusive SportcoupĂ©s, Pick-ups, Fastbacks und Nutzfahrzeugvarianten. Hinzu kam der Dacia 2000, mit dem sich die politische Nomenklatura zeigte. Dacia 2000? Dahinter verbarg sich ein Renault 20 TL mit rumĂ€nischem Label. Badge-Engineering erfuhr auch der Renault Estafette, mit dem Dacia Behörden belieferte. Erfindergeist hat in Pitesti seit den AnfĂ€ngen in der Aeronautik Tradition und so konstruierte Dacia 1986 den Kleinstwagen 500 Lastun, der allerdings mangels Feinschliffs am Markt scheiterte. Anders der kompakte Nova, ein Dacia-EigengewĂ€chs, das in den 1990ern die Allianz mit Renault vorbereitete. 1999 war es so weit: Dacia wurde Marke im Renault-Konzern. Viel hat sich seitdem geĂ€ndert, wie der Reigen der Erfolgsmodelle Logan, Sandero, Duster, Spring oder Jogger zeigt. Vor allem aber ist es die Marke, die an Faszination gewann. Ähnlich wie die Discounter Aldi und Lidl zeigt Dacia, dass billig auch gut sein kann.

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