Die europäische Politik hat sich komplett auf das batterieelektrische Auto eingeschossen. In Österreich sollen bereits ab 2030 nur mehr reine Stromer zugelassen werden dürfen. Doch sind die Elektroautos schon jetzt wirklich alltagstauglich? Wir wollten es genau wissen, und sind mit einem Tesla Model 3 von Wien nach Kroatien in den Urlaub gefahren. Eigentlich haben wir das Model 3 Long Range und Performance bereits ausgiebig getestet . Eine Fahrt ins südliche Ausland haben wir jedoch noch nicht gewagt. Und da seit wenigen Wochen die Facelift-Version , die u.a. weniger Chrom, eine doppelte kabellose Ladeschale für Smartphones, eine elektrische Heckklappe und eine Wärmepumpe bietet, des meistverkauften Elektroautos in Österreich (1. Halbjahr 2021) erhältlich ist, haben wir die Chance genutzt und sind mit dem Stromer zum Campen ans Meer aufgebrochen.
Im E-Auto von Wien nach Kroatien
Das größte Plus der Tesla-Modelle ist ja ihre vergleichsweise hohe Reichweite und das sehr gut ausgebaute Ladenetz mit Superchargern. Das Model 3 Performance ist zwar nicht das reichweitenstärkste Modell dieser Baureihe, dennoch verspricht Tesla eine Reichweite von bis zu 567 Kilometern (WLTP). Bei der Abfahrt an einem frühen Freitagnachmittag hatte es über 30 Grad. Und da wir auf die Klimaanlage nicht verzichten wollten, wurde uns von dem Fahrzeug eine Reichweite von 452 km in Aussicht gestellt. Die Fahrstrecke wurde vom Navi mit 593 km berechnet. Deshalb hat uns das Model 3 gleich einen Ladepunkt an einer der vielen Supercharger-Stationen vorgeschlagen. Dieser wäre jedoch bereits in Gleisdorf gewesen und somit nur kurze Zeit nach dem Start. Als Alternative wurde dann Maribor (in Slowenien) vorgeschlagen. Darauf haben wir uns eingelassen.
Obwohl wir fast ausschließlich auf der Autobahn mit dem zulässigen Höchsttempo (meistens 130 km/h) unterwegs waren, was Elektroautos eigentlich gar nicht mögen, war die Reichweitenangabe äußerst realistisch. Nach Maribor haben wir es locker geschafft. Dort haben wir das Model 3 an einem Supercharger (direkt auf einem großen Rastplatz inklusive McDonald´s) wieder voll aufgeladen. Das dauerte gerade einmal 30 Minuten und hat rund 16,50 Euro gekostet. Ein weiterer Ladestopp war bis zum Ziel (Autocamp Medulin) nicht notwendig. Wie ein Blick auf die Verbrauchsanzeige zeigt, haben wir für die Strecke exakt 101 kWh Strom verbraucht, was einem sehr niedrigen Verbrauch von 17 kWh auf 100 km entspricht.
Als wir nach 594 km am Campingplatz eingeparkt hatten, ist die Restreichweite auf 86 km geschrumpft. Doch das war kein Problem. Denn die Stromkosten waren bei jedem Autostellplatz inkludiert. So konnten wir das Model 3 an der herkömmlichen Steckdose eigentlich kostenlos voll aufladen – mit einem Diesel oder Benziner hätten wir die selben Stellplatzgebühren bezahlen müssen. Das hat zwar 25 Stunden gedauert, doch da der Kurzurlaub auf drei Tage angesetzt war, war das überhaupt kein Problem.
Bei der Heimfahrt am Montagnachmittag, die uns für einige Tage nach Oberösterreich führte, waren die Bedingungen ähnlich. Hier zeigte das Thermometer sogar über 30 Grad an. Die Fahrstrecke wurde mit knapp 550 km berechnet, die Reichweite mit 450 km prognostiziert. Dieses Mal hat uns das Model 3 einen Ladestopp in Villach vorgeschlagen. Auch diesen haben wir problemlos erreicht. Die Vollladung am starke frequentierten Supercharger nahm erneut rund 30 Minuten in Anspruch und hat 17 Euro gekostet. Obwohl wir erneut stets die maximale Höchstgeschwindigkeit gefahren sind und es fast die gesamte Fahrstrecke leicht bergauf gegangen ist, hat sich der Durchschnittsverbrauch kaum erhöht. Auf den insgesamt 1.144 km haben wir 196 kWh verbraucht, was einen Verbrauch von 17,2 kWh auf 100 km entspricht. Bei den Energiekosten von gerade einmal 34 Euro kann nicht einmal ein sparsamer Diesel mithalten. Gleichzeitig bietet das Performance-Modell unglaubliche Fahrleistungen. Die nahezu lautlose Extrem-Beschleunigung wirkt fast surreal. Beim Sprint von 0 auf 100 km/h sehen sogar einige Supersportwagen alt aus. Die beiden Elektromotoren (einer pro Achse) entwickeln von der ersten Umdrehung weg einen verzögerungsfreien Schub. Das Model 3 Performance beschleunigt in 3,3 Sekunden auf Landstraßentempo. Zwischenspurts von 80 bis 130 km/h oder die im Nu abgehakten Überholmanöver sind fast noch beeindruckender. Wer die atemberaubende Leistung ständig abruft, muss sich jedoch mit einer geringeren Reichweite begnüngen.
Fazit
Da das Model 3 ausreichend Platz für fünf Passagiere, einen ordentlichen Kofferraum sowie einen zusätzlichen Stauraum unter der Fronthaube (z.B. für die Ladekabel) bietet und auch bei Fahrwerk, Lenkung, Bremsen und Komfort- sowie Sicherheitsausstattung nichts anbrennen lässt, kann man die eingangs gestellte Frage hier mit einem klaren „Ja“ beantworten. Die Alltagstauglichkeit hängt jedoch von diversen Faktoren ab und hat auch ihren Preis. Für alle derzeit verfügbaren Elektroautos gilt dieses „Ja“ somit nicht.
Voraussetzungen
Um eine realistische Praxisreichweite von (wie hier) 440 Kilometern zu erreichen, sind eine große Batterie, ein effizienter Antrieb und eine gut funktionierende Rekuperation notwendig. Hier profitiert Tesla von seiner jahrelangen Erfahrung. Dafür schlägt das Model 3 Performance aber auch mit mindestens 59.990 Euro zu Buche - das relativiert sich in Anbetracht der Fahrleistungen (0 bis 100 km/h in 3,3 Sek.; 261 km/h Spitze) und der guten Ausstattung jedoch wieder. Das Einstiegsmodell (Standard Plus) mit 448 km WLTP-Reichweite ist ohne Förderung ab 46.100 Euro zu haben. Noch wichtiger sind jedoch eine Schnelllademöglichkeit und eine gut ausgebaute Infrastruktur mit einem einfachen Abrechnungsmodell. Denn wenn man bei einer längeren Reise mit gerade einmal maximal 50 kW laden kann, verbringt man (zu) viel Zeit an der Ladestation. Da macht das Stromern dann keinen Spaß. Zudem muss die Politik endlich für ein transparentes Preisauszeichnungssystem und eine einfache Bezahlmöglichkeit sorgen – und das noch dazu international. Derzeit weiß man im Voraus fast nie, wie viel man für das Laden bezahlen muss. Zudem muss man in den meisten Fällen gleich mehrere Ladekarten oder Apps bei sich haben. Ladesäulen, an denen man direkt per Kreditkarte bezahlen kann, sind die Ausnahme. Hier dürfen sich gerne alle Anbieter an Tesla orientieren. Mit über 6.000 Supercharger-Stationen hat der US-Autobauer auch in Europa ein flächendeckendes Netz an Schnellladestationen. Wie unser Test zeigt, reicht dieses mittlerweile auch weit in die südlichen (Urlaubs)länder. Und für das Aufladen muss man nur zum Supercharger hinfahren und das Auto anstecken – egal in welchem Land man gerade unterwegs ist. Und dank der Schnellladetechnik lässt sich beispielsweise beim Model 3 Performance in gerade einmal fünf Minuten bis zu 120 km Reichweite nachladen. Das und ähnliche Reichweiten schaffen mittlerweile aber auch Konkurrenzmodelle. Diesbezüglich hat Tesla keinen Alleinstellungsstatus mehr.
In Sachen Ladeinfrastruktur und Abrechnung liegt bis 2030 jedoch noch viel Arbeit vor der Politik. Denn ansonsten wird das mit dem gewünschten schnellen Aus für Verbrenner wohl doch nichts. Das zeigt auch die Tatsache, dass Elektroautos bei Privatkunden nach wie vor echte Ladehüter sind . Aufgrund der vielen finanziellen Anreize entfallen hierzulande weit über 80 Prozent der verkauften Stromer auf Firmen.
Technische Daten Model 3 Performance
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