Natürlich ist er nicht größenwahnsinnig groß, aber der Auftritt ist massiver, als es das bloße Zahlenwerk vermittelt: 5,06 Meter lang, 1,98 m breit, 1,79 m hoch, dazu 3,13 Meter Radstand. Dabei bringt die Karosserie sogar etwas Schnittiges mit, weil die Dachlinie nach hinten leicht abfällt. Sollen wir die Kategorie Coupé-Bus einführen? Okay, nein, das wäre noch unsinniger als SUV-Coupé oder Viertürer-Coupé.
Das Heck ist definitiv die Schokoladenseite, wobei der Fahrer den besten Blick auf die Rückansicht ständig verpasst: Die Pixelleuchten bilden einen kompletten Bogen rund um die Heckscheibe – aber nur als Bremslicht.
Die Front trägt zwar auch die für Hyundai typischen Pixellichter, wirkt aber nur rund und glatt statt prägnant. Top: Sie verbirgt einen 52 Liter großen Frunk.
Fakt ist: Der ausschließlich als Sechs- oder Siebensitzer bestellbare Stromer hat keine Notsitze, sondern sogar die dritte Reihe ist Erwachsenen zumutbar (ab Prestige Line klappen die ganz hinteren Sitze sogar elektrisch auf und zu). Und wenn die zweite Reihe ganz nach hinten geschoben ist, kann man sich im Innenraum fast verlaufen. Kofferraum: 338, 908 oder 2419 Liter hinter der elektrischen Klappe, deren Öffnungsknopf im Dunkeln zum Suchspiel einlädt.
Im Cockpit ist hingegen alles an seinem Platz, wenn man Hyundai gewohnt ist. Doppeldisplay mit zwei 12,3-Zoll-Displays, viele echte Knöpfe statt Touchelementen, dazu eine separate Klimakonsole – übersichtlich und praxisnah. Die Materialauswahl ist eher Supermarkt als Feinkostladen, auch wenn man kein grobes, billiges Plastik findet. Der Ioniq 9 wirkt von außen hochwertiger als im Innenraum. Und doch fehlt es an nichts, jedenfalls wenn man die Topausstattung Calligraphy bestellt.
Originell ist das kleine Fach mit UV-Licht-Desinfektion für Handy oder Schlüssel – die nächste Pandemie kann kommen.
2,7 Tonnen Souveränität
Der Startknopf sitzt etwas deplatziert am Gangwahl-Lenkstockhebel, kurz drehen für D – schon zieht der Ioniq 9 mit Macht davon. In der getesteten Allrad-Performance-Version stehen 428 PS und 700 Nm bereit, die für beeindruckende Fahrleistungen sorgen: 5,2 sec. auf 100. Mehr als 200 km/h lassen sie einen dem Fahrtwind aber nicht entgegenwerfen.
Das Fahrverhalten ist stimmig, man spürt die 2,7 Tonnen Leergewicht in jeder Situation. Anders als bei anderen Großelektrikern versucht die Lenkung nicht, mit Gefühllosigkeit einen Kleinwageneindruck zu erzeugen. Der Koloss fühlt sich wie ein Koloss an – fast schon erfrischend ehrlich. Dabei ist er einigermaßen komfortabel, aber nicht wirklich ein Gleiter. Das war offenbar auch gar nicht der Anspruch der Entwickler – oder der Kostenrechner. Denn sonst hätten sie dem Flaggschiff keine Verbundlenkerachse unters Heck geschraubt. Womit wir dann doch wieder beim Kleinwagen wären (wo diese Konstruktion üblich ist).
Reicht weit, lädt schnell
Mit seinem 110-kWh-Akku verspricht der Ioniq 9 600 Kilometer WLTP-Reichweite. Realistisch sind über 400 Kilometer, selbst bei Autobahntempo. Der Stromverbrauch im Test: mit hohem Autobahnanteil rund 26 kWh/100 km – in Ordnung für ein SUV dieser Größe mit dem Luftwiderstand. Dank 800-Volt-System lädt der Wagen in 25 Minuten von 10 auf 80 Prozent. Er zieht Gleichstrom mit bis zu 233 kW, Wechselstrom mit 10,5 kW.
Spiegel, die keiner braucht
Das Infotainment ist solide: Das Navi kann Laderouten planen und berücksichtigt sogar den gewünschten Ladestand am Ziel oder an der Ladestation. Nur die Grafik stammt offenbar aus der Zeit, als MP3s noch cool waren. Und: Wenn man das Audiosystem stumm schaltet, läuft Spotify im Hintergrund weiter und stoppt nicht. Das ist lästig.
Die optionalen Kamera-Außenspiegel kosten rund 1500 Euro und sind vor allem eines: entbehrlich. Sie vermitteln null Räumlichkeit und verhindern, dass man sich im Verkehrsgeschehen orientieren kann. Wenigstens den Innenspiegel kann man von digital auf echt umschalten.
Die Preise
Ab 70.000 Euro ist der Hyundai Ioniq 9 mit Heckantrieb zu haben, der Allradler ab 74.000 Euro. Die Ausstattung ist schon in der Basis gut, wobei man für Schmankerl wie Head-up-Display und Matrix-Fernlicht die Prestige Line braucht.
Die Performance-Version mit 428 PS gibt’s nur in der Topausstattung Calligraphy und die kostet mindestens 87.500. Der Testwagen kommt mit Extras auf insgesamt knapp 92.000 Euro. Viel Geld für einen Hyundai, aber auch ganz schön viel Auto fürs Geld.
Fahrzit
Man kann schon protzen mit dem Hyundai Ioniq 9. Der Auftritt ist cool, das Platzangebot riesig, die Ausstattung bei entsprechender Investition sehr komplett. Insofern ist er durchaus luxuriös. Und doch kommt der Diskonter durch. Premium ist er nicht.
Warum?
Mächtiger Auftritt mit gelungenem Heck
Viel Platz
Top ausgestattet
Warum nicht?
Etwas ruppiges Fahrwerk
Oder vielleicht ...
... Kia EV9
Related News