Ein Elfer für Feld, Wald und Wüste

1 year, 10 months ago - 11. February 2023, autobild
Ein Elfer für Feld, Wald und Wüste
Porsche bringt den 911 Dakar. Doch der bayerische Spezialtuner delta 4x4 bietet schon länger einen höhergelegten Allrad-Elfer.

Ein höhergelegter Sportwagen – braucht’s das? Natürlich benötigt niemand ein Auto, das sich dem rationalistischen Utilitarismus schon insofern widersetzt, als es die Sinnfrage gar nicht erst stellt.

Aber wissen Sie, was ich diesen ewigen "Braucht’s-das"-Fragern gern antworte? – Es gab auf deutschem Boden früher mal einen Staat, da hatte man versucht, nur Dinge herzustellen und zu verkaufen, die man wirklich braucht. Prächtige Idee, hat nur leider nicht funktioniert – weil der Mensch nicht vom Brot allein lebt.

Der amerikanische Psychologe Abraham Maslow (Wissenschaftler drücken ja gern alles ein bisschen komplizierter aus) hat aus der Beobachtung, dass die Erfüllung von Grundbedürfnissen nicht zum Glücklichsein reicht, sein Modell der "Maslow'schen Bedürfnishierarchie" entwickelt.

Darin ist zwar die Freude an ungewöhnlichen Autos nicht explizit aufgeführt, aber auf der Stufe 4 seiner "Bedürfnispyramide", bei den Individualbedürfnissen, erwähnt er den Wunsch nach Ansehen, Wertschätzung und Wichtigkeit. Und den kann man(n?) sich mit einem möglichst teuren und auffälligen Auto prächtig erfüllen.

"Vintage"-Version eher sportlich

Das ist Ihnen jetzt alles zu viel theoretisches Gelaber? Gut, dann jetzt die Praxis; erst mal ein Rundgang: Gegenüber der ersten Version des 992 delta – der mit großem Dachträger inklusive Spritkanister, Ersatzrad, Hi-Lift und Sandboards aussah, als wäre er bereit für den sofortigen Aufbruch zur Afrika-Durchquerung – kommt der delta-Porsche in der aktuellen "Vintage"-Version deutlich dezenter und klassischer rüber: Er macht eher auf Sport als auf Expedition.

Die Kriegsbemalung in Weiß mit pink-blau-orangefarbenen Rallyestreifen ist einer mattgrün-dunkelroten Folierung gewichen, der geräumige Dachgarten einem vergleichsweise schlanken Scheinwerferbügel mit sechs Rallyescheinwerfern von PIAA. Und heute trägt der Elfer – eher versuchsweise – die neuen delta-force-Beadlock-Räder in 9 x 20 Zoll; darübergezogen sind Conti-Straßenreifen. Also rein in das gute Stück.

Das klappt deutlich bequemer als beim Serien-Elfer – denn der hier steht insgesamt 140 mm höher da. Innen empfängt mich ein serienmäßiges Cockpit. Einzig das Schild, dass ich mich ins Fahrtenbuch eintragen soll, fällt auf: Sonderzulassung als Versuchsfahrzeug, da braucht man so was.

Beadlock-Räder gewöhnungsbedürftig

Der Sechszylinder erwacht recht dezent, die Doppelkupplungsautomatik würde auch einem ungeübten Fahrer das Anfahren erleichtern. Die schweren und flach besohlten Beadlock-Räder fühlen sich irgendwie unpassend an. Optisch machen sie ja echt was her; und im extremen Sand sind Beadlocks eine angenehme Sache, weil der Reifen auch bei Luftdruck null noch zuverlässig auf der Felge gehalten wird.

Drift-Spaß: Im Offroad-911 über Eis und Schnee

Aber solche Räder sind halt eher für große, schwere Geländewagen gedacht als für einen Sportwagen. Das spürt man in der Lenkung; und die schweren Räder rumpeln auch etwas ungelenk in Schlaglöcher und über Gullydeckel.

Im Übrigen fährt sich der Sportler der wahrhaft "hohen" Schule durchaus manierlich, folgt brav und verbindlich der gewundenen Landstraße. Klar, die Federung ist eher von der herben Sorte; aber das Fahrwerk, das delta 4x4 zusammen mit Eibach für die höheren Federn und Bilstein für die Gasdruckdämpfer entwickelt hat, wirkt dennoch harmonisch. Und die Straßenreifen bauen ordentlich Seitenführung auf.

Sport-Gene, die Spaß machen

Auf dem Weg zum Testgelände – dem eigentlichen Ziel der Fahrt – benutzen wir auch ein Stück Autobahn: Zeit, das rechte Pedal durchzudrücken und das Fahrmodus-Rädchen im Lenkrad auf "Sport Plus" zu drehen. Das schärft nicht nur Gaspedal und Getriebe, sondern stellt auch den Klappenauspuff auf Durchzug: Der Sechszylinder brüllt auf, die Nadel des mittigen Drehzahlmessers – noch ein echtes Zeigerinstrument – springt nach rechts, das grünrote Coupé nach vorne.
Die Autos im Rückspiegel schrumpfen in Sekunden zu bedeutungslosen Pünktchen zusammen. – Ach ja, ich hab’s ja eigentlich nicht so mit Sportwagen, aber das hat schon was! Irgendwie fühlt man sich da doch gleich ein bisschen unbesiegbar; wie Asterix, wenn er gerade einen guten Schluck aus der Zaubertrank-Pulle genommen hat.

Oh, wie blöd, da vorn kommt ja schon die Ausfahrt, jetzt in die Eisen. So abrupt, wie er Fahrt aufgenommen hat, baut der Porsche die Geschwindigkeit wieder ab. Einlenken, noch schnell per Schaltpaddel zwei Gänge runterschalten, und rum um die Ecke. Der kleine Gasstoß lässt das Heck ein bisschen nach außen zucken; ja doch, hat schon mal wieder was, so eine Fahrt im Elfer.

Mehr Luft unterm Kiel
Die Zufahrt zum sandigen, kiesigen Gelände geht durch den Wald. Langsam stakst der Porsche durch die Löcher, deren Tiefe ich nicht abschätzen kann, denn sie sind mit Wasser gefüllt. Aber ey, das ist ja kein normaler Elfer, bei dem ich ständig Angst haben müsste, mir irgendeine Schürze abzureißen.

Der hier hat ja deutlich mehr Luft unterm Kiel. Also Gas! Und je zügiger man’s fliegen lässt, desto flüssiger nimmt das Fahrwerk die Stöße. Ja, das passt; dieses Setting würde auch für eine Wüstenpiste funktionieren. Das ESP – bei Porsche heißt es PSM – hält die Fuhre auch jetzt noch achtbar auf Spur.

Auf der großen Sandfläche da unten möchte ich aber ein paar Donuts drehen. Also langer Druck auf die PSM-off-Taste, und jetzt hemmt kein Bremseneingriff mehr den Reifenschlupf. Der Sand spritzt, ich kann launig driften, je nach Koordination von Gas und Lenkrad nur über die Hinterachse oder auch über alle viere, der hecklastigen Allrad-Kraftverteilung sei Dank.

Hinterher brauche ich ein paar Minuten, bevor ich das Grinsen aus dem Gesicht bekomme. Klar, so ein Auto braucht kein Mensch. Aber so viel Spaß hatte ich selten – Vernunft hin, Nutzwert her. Mr. Maslow würde mich verstehen, glaube ich.

Technische Daten und Preis: Porsche 911 Carrera 4 delta 4x4 Vintage

  • Motor Sechszylinder, Biturbo-Benziner, hinten längs
  • Hubraum 2981 cm3
  • Leistung bei 1/min 283 kW (385 PS) bei 6500/min
  • Drehmoment bei 1/min 450 Nm bei 1950/min
  • Abgasnorm Euro 6d
  • Reifengröße v. 255/40 R 20, h. 285/40 R 20
  • Getriebe 8-Gang-Doppelkupplung
  • Bodenfreiheit 145 mm
  • Höherlegung Eibach-Federn, Bilstein- Stoßdämpfer: 22.297,63 Euro; Bodylift mit Distanzstücken 4313,75 Euro
  • Radabdeckungen 7422,63 Euro
  • Scheinwerferverkleidung Front 3570,00 Euro, Scheinwerfer 4 PIAA 560 inkl. Anschlusssatz 3159,45 Euro
  • Dachträger 818,13 Euro; Scheinwerfer 6 St. PIAA 550 inkl. Anschlusssatz 2910,96 Euro
    • Umbaupreis gesamt inkl. Montage und Folierung 83.915,23 Euro
    • Basisfahrzeug 121.346 Euro
    • Gesamtpreis 205.261,23 Euro

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