Die neue Bundesregierung wird sich nach Aussage von Sprecher Steffen Seibert nach ihrer Bildung bald mit der blauen Plakette für schadstoffärmere Dieselfahrzeuge befassen. Das Thema solle "alsbald aufgegriffen werden", sagte er am 28. Februar 2018 in Berlin. Auch die Nachrüstung von Euro-5-Dieseln mit SCR-Kats wird ein Thema sein. In BILD sprach sich der geschäftsführende Bundesverkehrsminister Christian Schmidt schon mal gegen diese Art der Kennzeichnung sauberer Fahrzeuge aus. Fahrzeuge dürften nicht ausgesperrt werden, sagte der CSU-Politiker dem Blatt: "Die blaue Plakette ist nichts anderes als eine kalte Enteignung für Millionen von Dieselbesitzern."
Die Diskussion um die blaue Plakette ist nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das Diesel-Fahrverbote in Städten grundsätzlich ermöglicht, wieder aufgeflammt. Denn, wie Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) sagte: "Wenn es zu Fahrverboten käme, bräuchten wir Kennzeichnungen für diejenigen, die nicht unter die Fahrverbote fallen." Schließlich ist es einem Auto in der Regel nicht auf den ersten Blick anzusehen, wie sauber seine Abgase sind – und ob es sich um einen Benziner, einen Diesel oder vielleicht auch ein Hybridauto handelt.
Fahrverbote in Hamburg bereits Ende April 2018
Derweil treffen einige Städte bereits Vorkehrungen zur Umsetzung von Fahrverboten. So will Hamburg als erste deutsche Stadt bereits Ende April 2018 Fahrverbote auf besonders belasteten Abschnitten zweier Hauptverkehrsstraßen umsetzen. Ob in Stuttgart und Düsseldorf ebenfalls Fahrverbotszonen eingerichtet werden, ist noch unklar. Sicher ist, dass die beiden Städte nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ihre Luftreinhaltepläne überarbeiten und Fahrverbote zumindest prüfen müssen. Vor allem in Stuttgart sind sie aber wahrscheinlich.
StVO soll geändert werden
Bereits vor dem Entscheid hatte die Bundesregierung die rechtlichen Änderungen in die Wege geleitet, um Fahrverbote auf bestimmten Strecken zu verhängen. Das Verkehrsministerium plant eine entsprechende Änderung der StVO, möglichst noch in diesem Jahr. Es solle "eine neue Rechtsgrundlage zur Anordnung von streckenbezogenen Verkehrsverboten oder -beschränkungen zum Schutz der menschlichen Gesundheit vor Feinstaub oder Abgasen (Stickstoffdioxid) in der Straßenverkehrsordnung (StVO) geschaffen werden ...", heißt es in einem Entwurf. Die Maßnahmen könnten unabhängig vom Vorliegen eines Luftreinhalteplans angeordnet werden.
Union lehnt die blaue Plakette immer noch ab
Auch Umweltschützer und viele Grünen-Politiker stellten sich hinter die Forderung nach einer bundesweiten Regelung und der Einführung der blauen Plakette. CDU und CSU lehnen die blaue Plakette dagegen ab. So sieht Unionsfraktionschef Volker Kauder auch nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts keine Notwendigkeit für die Einführung einer solchen. "Es ist richtig, dass es nicht zu pauschalen Verboten kommt – und dass deswegen auch eine blaue Plakette nicht erforderlich ist", sagt Kauder. Er forderte von Kommunen wie Stuttgart konsequentere Anstrengungen, um die Richtwerte einzuhalten.
Der Deutsche Städtetag drängt auf Einführung
Der Deutsche Städtetag forderte die Einführung der blauen Plakette. "Wir brauchen eine Kennzeichnung, und wir brauchen eine abgestimmte Vorgehensweise." Er warnte vor einem "Flickenteppich". Jede Stadt werde andere Pläne machen, auch mit unterschiedlichen Fahrverboten in den einzelnen schadstoffreichen Zonen. Auch die Verbraucherzentralen warnten: "Ein Flickenteppich an Schildern und Verboten würde die Autofahrer total verwirren", sagte die Verkehrsexpertin des "Verbraucherzentrale Bundesverbands" dem "Handelsblatt".
Kommunen müssten für Umsetzung sorgen
Falls selektive Fahrverbote verhängt werden, stehen die Kommunen vor erheblichem Aufwand. Sie müssten ihre Luftreinhaltepläne fortschreiben und damit die Grundlage für die Fahrverbote legen. Das könnte nach Ansicht des Auto Clubs Europa (ACE) Jahre dauern. Die betreffenden Gebiete müssten genau festgelegt werden, es bräuchte neues Personal, es müsste über Ausnahmeregelungen für Polizei, Helfer und Dienstleister entschieden werden. Mehr noch: Schon allein die Gestaltung (und Fertigung) der Verbotsschilder würde Probleme bereiten. Denn die Straßenverkehrsordnung erlaubt bislang ein Durchfahrverbot nur für bestimmte Verkehrsarten wie Pkw-, Rad- oder Lastverkehr, nicht aber für bestimmte Antriebsarten.
Polizei wehrt sich gegen die Kontrolle
Sollten die Fahrverbotszonen erst eingerichtet sein, käme die offene Frage der Kontrolle. Die Polizeigewerkschaften halten sie für nicht durchsetzbar. "Wer glaubt, dass wir solche Verbote dauerhaft durchsetzen können, der irrt." sagte der Vizechef der Gewerkschaft der Polizei, Arnold Plickert, der WELT. Es mache für die Polizei auch keinen Unterschied, ob die Fahrverbote mit oder ohne Einführung einer neuen blauen Plakette erfolgten. Auch die Deutsche Polizeigewerkschaft sieht das Problem, Verbotszonen durchzusetzen. "Solche Kontrollen stehen ganz am Ende unserer Prioritätenliste", sagte der Bundesvorsitzende Rainer Wendt.
Wie groß ist die Luftverschmutzung durch alte Diesel?
In vielen deutschen Städten ist die Luftverschmutzung vor allem durch Stickoxide (NOx) zu hoch, weshalb die Europäische Union mit Strafzahlungen droht. Stuttgart ist seit Jahren trauriger Spitzenreiter in der Liste der deutschen Städte mit der höchsten Luftverschmutzung. Doch auch andere Städte wie München, Düsseldorf oder Hamburg reißen die von der EU vorgeschriebenen Grenzwerte regelmäßig. Die Bundesregierung steht deshalb unter enormem Druck, etwas für die Sauberkeit der Luft in Deutschland zu tun – vor allem nach dem VW-Abgasskandal. Hauptverursacher für die anhaltend hohe NOx-Konzentration in der Luft sollen ältere Diesel sein. Manche Experten bezweifeln dies und sehen beispielsweise Industrie und Lkw als Haupt-Luftverpester.
Welche Maßnahmen für sauberere Luft werden diskutiert?
5,3 Millionen Euro-5- und Euro-6-Diesel sollen bis Ende 2018 ein Software-Update erhalten, das den Stickoxid-Ausstoß reduziert. Das beschlossen Politiker und Autobauer beim "Nationalen Forum Diesel" am 2. August 2017. Zudem versüßen viele Autohersteller den Besitzern älterer Diesel den Umstieg auf ein neueres, saubereres Auto mit Sonderprämien. Umweltschützer und auch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks bezweifelten aber, dass diese Maßnahmen ausreichen, um die Luftqualität in deutschen Großstädten maßgeblich zu verbessern. Außerdem soll ein eine Milliarde Euro schwerer Dieselfonds von Bund (250 Mio. Euro) und Herstellern (750 Mio. Euro) 2018 den Städten und Kommunen Maßnahmen zur besseren Luftreinheit ermöglichen. Laut Kanzlerin Merkel soll dieser Fonds "verstetigt", also möglicherweise weiter aufgefüllt werden. Mittel- und längerfristig sollen zudem die Förderung von alternativen Antrieben (Strom, Gas, Wasserstoff) oder regional auch der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs- und Radwegenetzes helfen.
Welche Hersteller bieten Umstiegsprämien?
Als weitere Maßnahme neben dem Software-Update locken viele große Hersteller Millionen Besitzer älterer Dieselautos mit Sonderprämien von bis zu 10.000 Euro zum Umstieg auf modernere Fahrzeuge.
Kann ich ohne Bedenken einen Euro-6-Diesel kaufen?
Euro-6-Diesel sind Stand der Technik. Sie würden nach aktueller Lage die bereits diskutierte blaue Plakette bekommen. Da viele von ihnen aber im realen Fahrbetrieb ebenfalls mehr Stickoxid ausstoßen als auf dem Prüfstand, könnte auch für Euro-6-Diesel mittelfristig ein Fahrverbot drohen. Es gibt aber auch Gründe, die für einen Diesel sprechen.
Lassen sich alte Diesel nachrüsten?
Grundsätzlich ja. Euro-5- und Euro-6-Diesel können per Software-Update sauberer werden. Außerdem ist - auch bei älteren Fahrzeugen - eine Hardware-Nachrüstung möglich. Diese ist aber relativ teuer.
Welche Autos sollen ein Software-Update bekommen?
Auf dem "Nationalen Forum Diesel" wurde beschlossen, dass zunächst 5,3 Millionen Euro-5- und Euro-6-Diesel per Software-Update sauberer werden sollen. Darunter sind allerdings auch 2,5 Millionen VW, die ohnehin im Zuge des Abgasskandal-Rückrufs nachgerüstet werden. Für die Halter sollen keine Kosten entstehen. Die Aktion soll keinen Einfluss auf Motorleistung, Verbrauch oder Lebensdauer haben. Ziel sei eine durchschnittliche Stickoxid-Reduzierung von 25 bis 30 Prozent der nachgerüsteten Fahrzeuge, erklärte der VDA. Studien zeigten, dass damit die Schadstoffbelastung mindestens genauso stark reduziert werden könne wie durch Fahrverbote.
Wie könnte die Motoren-Hardware nachgerüstet werden?
Euro-5-Diesel müssten mit einem SCR-Katalysator ausgestattet werden, der mit Hilfe von Harnstofflösung (AdBlue) den Stickoxid-Ausstoß verringern würde. Das Ganze müsste sowohl mit der Motorsteuerung verbunden werden, als auch Platz finden unter der Motorhaube. Diese Maßnahme ist teuer: Offizielle Zahlen gibt es nicht, es ist aber von 1,5 bis 2,5 Milliarden Euro für die Umrüstung die Rede – plus die Aufwendungen für die Entwicklung einer entsprechenden Software. Gerade bei älteren Fahrzeugen wäre dies nicht wirtschaftlich, so die Einschätzung des VDA.
Wer würde für eine Umrüstung zahlen?
Der Staat, die Diesel-Besitzer oder die Autohersteller? Die Frage ist noch offen. In Baden-Württemberg befürworten der Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) und die SPD einen Fonds, in den die Automobilhersteller gemäß der von ihnen verkauften Diesel einzahlen, um die Nachrüstung zu finanzieren.
Wie viele Diesel erfüllen Euro 6? Und wie viele nicht?
Zum Jahreswechsel 2017 erfüllte nur knapp ein Fünftel der in Deutschland zugelassenen Dieselfahrzeuge die seit September 2015 geltende jüngste Euro-6-Abgasnorm. Knapp 40 Prozent der Diesel in Deutschland erreichten nur Euro 5; der Verband der Automobilindustrie beziffert ihre Zahl bundesweit auf rund 5,92 Millionen Stück. Die übrigen 40 Prozent erfüllen Euro 1 bis 4.
Wären Fahrverbote mit einer Umrüstung vom Tisch?
Das hängt davon ab, was die Pläne der Industrie tatsächlich bringen. Ziel ist es, die von der EU und von Gerichten vorgegebenen Grenzwerte in der Luft einhalten zu können. Es gilt aber als wahrscheinlich, dass diese Grenzwerte zumindest kurz- und mittelfristig ohne Fahrverbote erreichbar sind. Sowohl Grüne als auch CDU würden auch angesichts absehbar großer Proteste aber nur allzu gerne auf Fahrverbote verzichten.
Wo werden Fahrverbote diskutiert oder vorbereitet?
Stuttgart: Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leizpig vom 27. Februar 2018 muss Stuttgart Fahrverbote in Betracht ziehen. Zunächst dürften Fahrzeuge der Euro-4-Norm in Stuttgart mit einem Fahrverbot belegt werden. Fahrverbote für Euro-5-Fahrzeuge sind nicht vor dem 1. September 2019 möglich. Außerdem soll es Ausnahmeregelungen für Handwerker geben.
Hamburg: Die Hansestadt will ab Ende April 2018 einige Straßen für besonders schmutzige Diesel sperren. Der am 2. Mai 2017 vorgestellte Luftreinhalteplan sieht vor, dass Lastwagen, die nicht der aktuellen Euro-6-Norm entsprechen, Abschnitte auf zwei Hauptverkehrsadern der Stadt ganzjährig nicht mehr befahren dürfen. Dies betrifft zum einen Bereiche der Stresemannstraße, Teile der ebenfalls stark befahrenen Max-Brauer-Allee sollen auch für ältere Pkw tabu sein – abgesehen vom Anlieger-Verkehr. Die Einhaltung wird von der Polizei stichpunktartig kontrolliert.
München: Die bayerische Landeshauptstadt musste nach der Entscheidung des Obersten Bayerischen Verwaltungsgerichts bis Ende 2017 Fahrverbote für Dieselfahrzeuge vorbereiten. Zwar hat die Regierung am 23. Januar 2018 einen neuen Luftreinhalteplan vorgelegt, dieser sieht jedoch keine Fahrverbote für Dieselfahrzeuge vor. Stattdessen riskiert der Freistaat lieber ein Zwangsgeld. Ob Fahrverbote aber tatsächlich verhängt werden können, hängt vom Bundesgesetzgeber ab. Während die Wirtschaft vor den Verboten warnt, sehen Umweltverbände ihre Position bestätigt – und fordern die sogenannte blaue Plakette. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte Bayern verklagt, weil in der Landeshauptstadt alljährlich die EU-Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) an zwei Stellen überschritten werden. Da das rechtskräftige Urteil noch nicht umgesetzt wurde, hat die DUH – genau wie auch in Limburg und Reutlingen – einen Antrag auf Zwangsvollstreckung gestellt.
Ähnlich ist die Situation in Düsseldorf: Auch hier gab das Verwaltungsgericht der Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen das Land Nordrhein-Westfalen wegen Überschreitung der Luftqualitätswerte in der Landeshauptstadt Düsseldorf (Aktenzeichen 3K 7695/15) statt und räumte die Möglichkeit von Fahrverboten ein. Auch hier ging die Landesregierung in Revision vors Bundesverwaltungsgericht, dessen Entscheidung noch aussteht.
Die DUH hat gegen mehrere Bundesländer geklagt, die für die Einhaltung der Luftreinhaltepläne zuständig sind. Betroffene Städte sind neben den schon genannten Köln, Bonn, Aachen, Essen, Gelsenkirchen, Frankfurt am Main, Mainz, Reutlingen, Darmstadt, Limburg, Wiesbaden und Berlin. Außerdem macht die DUH in mehr als 40 weiteren Städten im ganzen Bundesgebiet Druck mit formalen Verfahren zur Sicherstellung der Einhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid.
Was würden Fahrverbote bringen?
Ob Fahrverbote ab Euro 5 abwärts ausreichend sind, ist umstritten. Vor allem da auch Euro-6-Diesel in jüngster Zeit verstärkt in der Kritik stehen, die die gesperrten Zonen aber befahren dürften. Das Umweltbundesamt, die Deutsche Umwelthilfe und der ADAC haben bei realeren Messungen (im Straßenbetrieb und bei Temperaturen unter 20 Grad Celsius) festgestellt, dass viele Euro-6-Diesel ein Vielfaches des erlaubten Grenzwerts an Stickoxiden (NOx) ausstoßen und häufig mitnichten sauberer sind als Diesel der Euronorm 5. Für Händler und Dienstleistungsunternehmen, die ihren Sitz in den Verbotszonen haben, könnte es unter Umständen existenzbedrohend sein, wenn die Kunden und Lieferanten sie nicht mehr anfahren dürfen.
Was ist die blaue Plakette?
Nach den Plänen von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) sollen bestimmte Fahrzeuge mit einer blauen Plakette ausgezeichnet werden. Die Plakette würde das System aus den bereits vorhandenen roten, gelben und grünen Aufklebern für die Windschutzscheibe ergänzen. Nur Fahrzeuge mit dem blauen Sticker dürften in die von Städten und Kommunen ausgewiesenen blauen Zonen einfahren. Das sind moderne Euro-6-Diesel, die meisten Benziner, gasgetriebene Autos und vor allem Elektroautos. Rund 13 Millionen Diesel wären aber ausgesperrt – darunter auch fast neue Autos, die erst 2015 mit der Euro-5-Norm gekauft wurden.
Womit müssen Dieselfahrer rechnen?
Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig zugunsten von Fahrverboten müssen Besitzer älterer Diesel mit begrenzten Einfahrverboten in manche Städte rechnen. Allerdings dürfte es Übergangslösungen geben für Handwerker und kommunale Fahrzeuge. Von den Kommunen hängt es ab, ob sie neue Luftreinhaltepläne verabschieden, die neuen Aufwind für die blaue Plakette bedeuten. Vorerst bleibt es bei den bestehenden Plaketten und Einfahrregeln für die Umweltzonen, also, rot, gelb und grün. Allerdings dürften die Freiheit für Diesel unterhalb der Euro-Norm 6 demnächst eingeschränkt werden.
Wer ist gegen die blaue Plakette und warum?
Besonderen Widerstand gegen die blaue Plakette leistet das CSU-geführte Bundesverkehrsministerium. Ex-Ressortchef Dobrindt wie auch sein geschäftsführender Nachfolger Schmidt argumentieren, es sei wirkungsvoller, bei Fahrzeugen anzusetzen, die ständig im Stadtverkehr fahren, etwa Taxen, Busse oder Behördenfahrzeuge. Dies diene der Reduzierung von Stickoxiden mehr als ein Einfahrverbot. Skepsis bis Ablehnung kommt zudem vom Automobilverband VDA sowie Wirtschafts- und Verkehrspolitikern aus verschiedenen Fraktionen. Doch auch Umweltverbände und der ADAC halten die blaue Plakette für falsch. Sie fordern, dass der Schadstoffausstoß der Fahrzeuge dauerhaft gesenkt wird – und zwar in der Realität und nicht nur auf dem Papier. Wären die Autos auf der Straße so sauber wie auf dem Prüfstand, wäre die Luftverschmutzung deutlich geringer, so ihr Argument.
Würden komplette Innenstädte gesperrt?
Wohl kaum, heißt es auch aus dem Bundesumweltministerium. Dessen Chefin Hendricks sagt: Es werde nicht so sein, "dass plötzlich 13 Millionen alte Diesel aus den Innenstädten ausgesperrt werden." Eine Möglichkeit wäre, die neuen Fahrverbots-Zonen kleiner zu gestalten als die schon existierenden Umweltzonen, die nur mit grüner Plakette befahren werden dürfen. Jede Stadt oder Gemeinde bestimme selbst, wann und ob sie derartige Gebiete ausweise. Wahrscheinlich ist, dass nur einige Straßenzüge, in den die Stickoxidbelastung besonders hoch ist, zu "blauen Zonen" erklärt werden. Laut einem Hinweis des Bundesverkehrsministeriums an Stuttgart im Juli 2017 ist es rechtlich nicht erlaubt, wenn streckenbezogene Fahrverbote eine "durchgehende Kette" bilden. Die ursprünglich im baden-württembergischen Luftreinhalteplan 2017 vorgesehenen Fahrverbote, die im Januar 2018 in Stuttgart in Kraft treten sollten, wären nach dieser Lesart nicht zulässig.
Hätten alte Diesel mit Partikelfilter eine Chance auf die blaue Plakette?
Gesetzlich Bestimmungen zur blauen Plakette gibt es noch nicht, nur Vorschläge der DUH. Demnach bekämen aber neben reinen Elektroautos sowie den meisten Benzinern und gasbetriebenen Fahrzeugen nur neue Diesel der Klasse Euro 6 eine blaue Umweltplakette. Für die höchste Umweltklasse ist aber eine aufwendige Abgasreinigung nötig, ein Partikelfilter allein genügt nicht. Dennoch ist dessen Nachrüstung sehr sinnvoll, da die Abgase mit Filter deutlich sauberer sind als ohne. Wer vorher eine gelbe Plakette für sein Dieselfahrzeug hatte, bekommt mit Filter eine grüne - und kann somit auch in die bisherigen Umweltzonen einfahren. Doch mittlerweile ist die Förderung für ein Nachrüsten mit Partikelfilter ausgelaufen. Zuletzt hatte der Bund den Umbau mit 260 Euro gefördert, doch die Nachfrage danach war äußerst zögerlich geblieben.
Wäre eine blaue Plakette überhaupt erlaubt?
Dem Münchner Anwalt Markus Klamert zufolge hätten bei einem Einfahrverbot in Innenstädte Besitzer von Euro-5-Dieseln möglicherweise Anspruch auf Schadenersatz gegenüber Autoherstellern oder Autoverkäufern. Ein Anspruch bestehe aber nur, "wenn Hersteller oder Händler zum Zeitpunkt des Verkaufs hätten wissen können oder müssen, dass eine blaue Plakette kommt und welche Folgen sie haben würde." Anwalt Klamert zufolge könnte damit ein sogenannter enteignender Eingriff vorliegen. Das sei der Fall, "wenn der Wert oder die Nutzbarkeit des Pkw durch die neue Norm deutlich geschmälert wird". Somit käme eine staatliche Entschädigung infrage. Der enteignende Eingriff sei gegenüber dem Wohl der Allgemeinheit aber abzuwägen.
Wie sieht es in den anderen EU-Ländern aus?
Kaum ein Trost ist, dass Deutschland nicht allein ist mit seiner zögerlichen Haltung bei der Stickoxidreduzierung. Laut Mitteilung der EU-Kommission haben 17 Mitgliedsstaaten seit 2010 Grenzwertüberschreitungen gemeldet, unter anderem seien gegen Großbritannien, Portugal, Italien, Spanien und Frankreich Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.
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