Fortschritt heißt – auch – Wachstum: Bei den aktuellen Zulassungszahlen für Elektroautos zeigt sich das, aber ebenso in der Größe ihrer Akkus. Denn in den vergangenen Jahren haben die Energiespeicher für Elektroautos immer höhere Kapazität erhalten. Was ihre Alltagstauglichkeit erhöht und damit für immer mehr Autofahrer als Alternative zum Verbrenner interessant macht.
Ein gutes Beispiel für diese Entwicklung ist der Renault Zoe: Der Elektro-Kleinwagen war vor über zehn Jahren ein Pionier in der Elektroauto-Szene und avancierte zum populärsten Vertreter seiner Gattung. Allein in Europa wurden über 400.000 Stück verkauft. Gestartet ist der Zoe 2012 mit einer Reichweite (nach der damaligen Prüfnorm NEFZ) von lediglich 210 km aus einem 22 kWh kleinen Akku – realistisch war kaum die halbe Reichweite.
Nun schafft die jüngste – und letzte – Version des Zoe rund doppelt so viel, nämlich 395 km nach der sehr viel realitätsnäheren Norm WLTP. Der Energiespeicher ist 52 kWh groß. Oder der BMW i3: Er startete 2023 mit 18,8 kWh nutzbarer Strom-Kapazität. Die letzte Version ab 2018 hat mit ca. 38 kWh rund die doppelte Kapazität.
Was gilt aktuell als großer Auto-Akku?
Was vor zehn Jahren noch beeindruckend oder bestenfalls ordentlich groß war, ist heute beinahe schon mickrig: Der VW e-Golf hatte maximal 31,5 kWh Stromspeicher, sein Nachfolger ID.3 mindestens 45 kWh. Die reichweitenstarke Version "Pro S" speichert sogar 77 kWh. Viel? Sagen wir mal: relativ viel. Denn viele moderne E-Autos haben die 80-kW-Marke längst hinter sich gelassen. Auch die 90 sind spätestens seit 2016, als Tesla das Model S damit ausstattete, kein Hindernis mehr. Und heute? Liegt die Latte jenseits der 100 kWh.
Wer hat nun den dicksten Akku? Betrachtet man allein den europäischen Markt, liegt ein deutsches Produkt derzeit vorn: die elektrische Mercedes S-Klasse EQS. Mit der aktuellen Modellpflege wurde ihr an sich schon üppig großer Akku von 108 auf 118 kWh erweitert. Moment, werden vielleicht einige jetzt einwenden: Hat nicht der sagenhafte US-Hersteller Lucid ebenfalls Batterien mit 118 kWh an Bord seiner Luxuslimousinen? Die Antwort: Ja, aber – Lucid gibt nur die Brutto-Kapazität der Akkus an.
Wie einige Hersteller bei der Akkugröße tricksen
Damit ist die Strommenge gemeint, die maximal in die Energiespeicher hinein gehen könnte. Aber sie ist nicht komplett verfügbar. Ein Lucid kann die 118 kWh, die in seinem Akku Platz haben, also gar nicht komplett verfahren. Anders der Mercedes: die 118 kWh Strom sind voll nutzbar. Der schwäbische Auto-Pionier gibt wie die meisten Hersteller die Netto-Kapazitäten seiner Stromspeicher an.
Das Verschweigen des Netto-Speichervermögens ist also ein kleiner Trick, sich ein klein wenig größer zu machen. Neben Lucid bedienen sich dessen auch Tesla und Nio. Deshalb kommen diese hier nicht in die Wertung. Offiziell haben Nio-Modelle 100 kWh große Akkus, in Wahrheit kommt deutlich weniger Strom beim Motor an. Übrigens rüstet Nio auf: In China ist bereits der ET7 mit 150 kWh Speichervermögen auf dem Markt. Netto oder brutto? Sagt Nio nicht.
Wie viel Netto bleibt vom Brutto im Akku? Da einige Hersteller – zum Beispiel Volkswagen – beide Werte nennen, lässt sich das ungefähr abschätzen. Beim ID.3 Pure mit dem kleinsten Akku stehen 55 kWh netto ganze 45 kWh brutto gegenüber, also fast 20 Prozent weniger. Je größer der Akku ist, desto geringer die Differenz zwischen nutzbarer und maximaler Ladung. Beim ID.3 Pro S beträgt sie nur noch fünf kWh, das entspricht weniger als zehn Prozent.
Wo die natürliche Grenze der Akku-Größe liegt
Warum wird überhaupt ein Unterschied gemacht? Einfache Erklärung: Aus Gründen der Haltbarkeit dürfen Akkus nicht komplett ge- und entladen werden. Die Differenz zwischen netto und brutto ist diese Sicherheitsreserve, die nicht genutzt und auch nicht aufgefüllt werden darf – wie ein Eimer, den man nicht bis zum Rand füllen und bis zur Neige leeren darf, damit er nicht überschwappt oder trocken fällt.
Wo soll das Wettrüsten bei E-Auto-Akkus hinführen? Den 1000-kWh-Akku könnte es zwar in einigen Jahren geben – zumindest wird diese magische Zahl von Batterieherstellern, die nach dem Wunder-Akku forschen, immer wieder ins Spiel gebracht. Aber mit der aktuellen Lithium-Ionen-Technologie sind solche Speicher in einem gewöhnlichen Pkw nicht denkbar. Sie würden bei der Energiedichte, die mit dieser Bauweise möglich ist, rund vier Tonnen wiegen. Rechnet man das Fahrzeuggewicht hinzu, müsste der Fahrer einen Lkw-Führerschein haben. Doch mit neuen Batterietechnologien, namentlich dem Feststoff-Akku, könnten höhere Energiedichten und damit leistungsstärkere Speicher auf Rädern eines Tages möglich sein.
Fazit
Wer hat den dicksten Akku? Die Frage artet zur Materialschlacht aus. Die Speicherkapazitäten der Strom-Tanks an Bord moderner Elektroautos wachsen immer weiter, und mit ihnen leider auch deren Gewicht. Beim Audi Q8 e-tron wiegt allein die Batterie 700 Kilogramm. Wer wird noch von nachhaltigem, umweltfreundlichen Antrieb schwärmen, wenn fast ein Drittel des Fahrzeuggewichts nur für den Energiespeicher draufgeht? Kein Wunder, dass Mercedes auf AUTO BILD-Anfrage das Gewicht des neuen Akkus im EQS verschweigt ... Wir wollen auch Fern- und Urlaubsfahrten im E-Auto absolvieren, ohne stundenlang an der Ladesäule abzuhängen. Aber irgendwann ist das Missverhältnis zwischen Fahrzeug-Gewicht und dem der Besatzung zu groß. Ein restlos gutes Gewissen kann man mit solchen Monsterbatterien eigentlich nicht mehr haben. Hoffen wir also auf die Zukunft, wenn neue Batterie-Technologien höhere Energiedichte bei geringerem Gewicht ermöglichen.
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