Fiese Täuschung beim Gebrauchtwagenhändler

1 Jahr her - 13. März 2023, auto motor und sport
Fiese Täuschung beim Gebrauchtwagenhändler
Kommen Sie mit uns auf Gebrauchtwagen-Tour. Wir teilen unsere Erlebnisse vom Kiesplatz bis zum Showroom. Eine scheinbar perfekte C-Klasse aus Seniorenhand ist diesmal Schauplatz eines fiesen Täuschungsversuchs.

Neulich war ich in doppelter Mission unterwegs. Ein Freund bat mich, eine gebrauchte C-Klasse mit ihm zu checken, und ich war mal wieder auf der Suche nach den nächsten Gebrauchtwagen-Kandidaten für auto motor und sport. Natürlich sagte ich zu und bekam prompt das Inserat aufs Handy geschickt. Hier machte das Objekt der Begierde zunächst einen sauberen Eindruck: Mercedes C 180 T-Modell, Obsidianschwarz-Metallic, Faceliftversion, hübsche Avantgarde-Ausstattung mit hellem Innenraum und fleckenfreien Teilledersitzen. Dazu eine Laufleistung von nur knapp über 100.000 Kilometer und ein angemessener Preis von gut 12.000 Euro. Grundsätzlich ist der W204 eine solide Wahl. Das zeigte erst kürzlich unser ausführlicher Gebrauchtwagen-Check.

Gutes Angebot trotz zwielichtiger Adresse?
Wer "seine Pappenheimer" kennt, weiß, wo die vertrauenswürdigen Händler sitzen und wo nicht. Die Händleradresse des Mercedes fiel in Kategorie zwei, doch das Angebot sah so sauber aus, dass es einen Versuch wert sei, beschloss ich.

So fanden der Freund und ich uns eines Samstags in einer Gegend, die oft despektierlich als "Autoschieberviertel" einer nordbayerischen Großstadt bezeichnet wird. Der Händler gehört zu denen, die sich neben der reinen Kiesplatz-Konkurrenz immerhin einen kleinen Showroom mit angrenzender Werkstatt leistet. Die ganze Beschilderung zielt nicht etwa auf die Exportklientel, die Autos in allen Zuständen ins Ausland verfrachtet, sondern augenscheinlich auf einheimische Kunden, die auf der Suche nach einem vertrauenswürdigen Gebrauchten sind. Hier werden Garantieleistungen, bester Service und seriöse Angebote versprochen. Papier ist geduldig.

Die nebenan befindliche Prüfstelle eines KFZ-Sachverständigen fällt mir nur im Augenwinkel auf. Wir mustern den Mercedes zunächst ohne Verkäuferbeistand – die beste Möglichkeit, sich zunächst ein eigenes Bild zu verschaffen. Der Lack wirkt überall original, die Spaltmaße sind werksmäßig und die Abwesenheit von Steinschlägen passt zur geringen Laufleistung (rechnerisch knapp 10.000 Kilometer pro Jahr) und dem braven Vierzylinder-Benziner. Die Bordsteinschrammen der Aluräder zeugen von wenig geschickten Parkmanövern. Durch die Scheiben sehen wir einen hellen Innenraum, der taschentuchgepflegt und blitzsauber daherkommt, ohne augenscheinlich aufbereitet worden zu sein.

Gebrauchtwagenexperten erahnen das Bild, was sich bei mir abzeichnet: Hier könnte es sich um ein Seniorenauto handeln – oft ein Indiz für gute Pflege und mit hoher Wahrscheinlichkeit ein prima Gebrauchtkauf.

Großartiger Pflegezustand
Also, guter Dinge, ab zum Verkäufer: Schlüssel holen! Der (ganz gelassen) lässt uns weiterhin allein prüfen. Tür auf: frischer Mercedesduft ohne Raucharoma. Im Kofferraum: gute Winterreifen vom Premiumhersteller. Mehr Bordsteinschrammen. Kopfstütze Beifahrersitz: ein langes, schneeweißes Haar – wusst' ich's doch! Hier saß Oma wohl immer. Die Heimatadresse im Navi führt in eine hübsche Einfamilienhaussiedlung in der Nähe. Im Radio auf Taste eins: Der örtliche Oldiesender.

Immer wieder nicke ich meinem Kumpel ermutigend zu – auch beim Blick ins Checkheft. Bis vor zwei Jahren wurde es stets bei Mercedes durchgestempelt, nun steht wieder ein Service an. Motorhaube auf und das prüfende Ohr auf die Steuerkette (beim M271-Benziner eine mögliche Schwachstelle) gerichtet; der Kumpel dreht am Schlüssel. Der Anlasser müht sich kurz ab, und der Motor springt klapperfrei an. Gut! Weiße Rauchschwaden aus dem Auspuff erwecken nach dem Kaltstart bei einstelligen Temperaturen und längerer Standzeit (das sagt uns der Flugrost auf den Bremsscheiben) zunächst keine großen Zweifel. Nur das Endrohr ist verdächtig rußig.

Wieder zum Verkäufer. Rote Kennzeichen gegen Ausweiskopie und ab zur Probefahrt. "Aber bitte maximal zehn Minuten", ruft er uns hinterher. Ich beschließe, ihm nicht gleich zu eröffnen, dass wir zumindest etwas länger unterwegs sein werden. Noch immer qualmt die langsam warmlaufende C-Klasse weiß vor sich hin. Sicherheitshalber blicke ich vor Fahrtantritt auf Öldeckel und Peilstab. Hier entdecke ich statt schwarzbraunem Dinosaft die Farbe von Latte macchiato in der Konsistenz von Milchshake. Im Kühlwasserbehälter findet sich (noch) kein Ölfilm.

Rentnerauto mit Motorschaden?
Mit etwas flauem Gefühl im Bauch überlege ich, wie viel Kurzstreckenverkehr für solche Indizien nötig wäre, oder ob bereits eine defekte Zylinderkopfdichtung vorliegen könnte. Beides kann für diese beige-glibbrigen Spuren im Öl sorgen, da durch das Zusammenkommen von Öl und Wasser (entweder Kondenswasser oder Kühlflüssigkeit) und das kräftige Umrühren in der Ölpumpe eine Emulsion entsteht.

Beim Fahren bleibt der relativ elastische Vierzylinder zunächst unauffällig. Als die Betriebstemperatur erreicht ist, gebe ich Vollgas. Ab 2.500 Umdrehungen wechselt der (noch immer vorherrschende) weiße Qualm schlagartig auf eine dicke, schwarze Rußfahne. Es bleibt nicht bei einem Wölkchen, was ich einem Turbo-Direkteinspritzer mit viel Kurzstreckenbetrieb durchgehen lassen würde, sondern bei einer anhaltenden schwarzen Fahne. Hier verdampft im Brennraum also derart viel Kühlwasser, dass aufgrund der verfälschten Abgaswerte viel zu viel Kraftstoff eingespritzt wird.

Ab hier steht fest: Es ist mindestens die Zylinderkopfdichtung im Argen. Zusätzlich kommt es bei den frühen Daimler-Direkteinspritzern immer wieder zur Verbrennung von Tropfmengen an Öl im Bereich des Turbos, der nur durch den Einsatz einer speziellen Hohlschraube Einhalt geboten werden kann. Zuletzt ist noch unklar, wie lang der Wagen bereits mit diesem Schaden unterwegs ist.

Nun stehen wir also vor einem durchaus begehrenswerten Auto, mit einem deutlich sichtbaren Motorproblem. Ich konfrontiere den Verkäufer vorsichtig damit, der uns zunächst einen Nachlass von etwa 200 Euro auf den nächst runden Betrag anbietet und auf das gerade erst problemlos durchgeführte Gebrauchtwagengutachten und die neue HU hinweist. Auf dem Papier sehe ich die Adresse des Nachbarbetriebs, zu dem gerade jemand ein Tablett mit Kaffee rüberbringt...

Als ich weiterbohre, holt er einen technisch versierten Kollegen hinzu, der im Betrieb wohl mehr zu sagen hat. Der möchte mich zunächst vom Hof schicken. "Dann kauf ihn halt nicht", sagt er. Ich entgegne: "Alles hat seinen Preis und ich kenne einen Motorenbauer um die Ecke...". Ich beharre auf den nachweislichen Fakten und bekomme schlussendlich angeboten, den Wagen zum Einkaufspreis zu kaufen.

Der Zauber fliegt auf
Da mein Kumpel ein stressfrei zuverlässiges Auto sucht, belassen wir es dabei. Als ich auf dem Weg zur Ausgangstür kurz innehalte, höre ich den Verkäufer dem Technikmann zuflüstern: "Das ist das, was wir gesagt hatten, oder?"

Es war dem Händler also von Anfang an klar, dass der Wagen ein tiefergehendes Problem besitzt, an dessen Oberfläche ich mit meinem kurzen Check nur kratzen konnte. Der ganz offensichtlich gute Zustand aus pfleglichem Vorbesitz dürfte nicht wenige unbedarfte Interessenten darüber hinwegtäuschen. Ab hier handelt es sich um Mutmaßungen, doch meine Erfahrung sagt, dass im Falle eines Kaufs vermutlich jede Garantie- und Gewährleistungsansprüche abgeschmettert würden. Das sei die Schuld des Fahrers, das Auto sei zum Verkauf in Ordnung gewesen, schließlich sagte das auch der Nachbar von der Prüforganisation. Was folgt, wäre ein zäher Rechtsstreit mit was auch immer für einer Garantiefirma, bei der unser Händler Kunde ist.

Wie hoch der tatsächliche Schaden und dessen Folgen sind, kann ich ohne tiefergehende Prüfung nicht beziffern, doch der Wechsel der Zylinderkopfdichtung in der Werkstatt wird knapp über 1.000 Euro liegen. Die etwas vulnerable Steuerkette nebst Gleitschienen würde man dann gleich mit erledigen – auch das kostet Geld. Unklar ist, ob bereits weitere Schäden am Motor entstanden sind, und wie viel Arbeit in innermotorische Reinigungsarbeiten fließen würde.

Internetbewertungen sind wertvolle Informationen
Später prüfe ich noch die Google-Bewertungen des Händlers: ein Meer aus Fünfsterne-Urteilen. Die kommen allerdings von Nutzern, die entweder den gleichen Nachnamen wie unser Verkäufer tragen, oder schwer nach "Max Mustermann" klingen, und ansonsten keine einzige weitere Bewertung im Profil haben.

Und die Moral von der Geschichte? Ein Gebrauchtwagen wird nicht schlecht, nur weil er bei einem zwielichtigen Verkäufer steht, doch wenn das Bauchgefühl bereits übel ist, lohnt sich der Blick ins Detail gleich umso mehr.

FAZIT
So kann's gehen: Hätten wir nicht genauer hingeschaut (oder uns an die "Maximal zehn Minuten" des Verkäufers gehalten), wäre wohl ein unbedarfter Gebrauchtwagenkäufer auf einen Händler hereingefallen, der seine Kunden ganz offensichtlich täuscht. Im letzten Beitrag dieser Reihe haben wir noch die vertrauenswürdigen freien Händler gelobt, die es durchaus gibt. Schwarze Schafe wie in diesem Beispiel schaden nicht nur ihren Kunden, sondern auch dem Geschäft der ehrlichen Händler.

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