Der neue Civic Type R ist unendlich spaßig – aber sündhaft teuer

2 Jahre her - 02. Dezember 2022, autobild
Honda Civic Type R
Honda Civic Type R
Wenn es um reinen Fahrspaß in der Kompaktklasse geht, ist der ­Honda Civic Type R immer mit in der Diskussion – auch wenn er nicht mehr taufrisch ist. Das ändert Honda jetzt. AUTO BILD ist Generation fünf schon gefahren!

Echte Fans sind an dieser Stelle schon am Protestieren. Wie, Generation fünf? Das ist doch der sechste Honda Type R! Ja, technisch richtig. Aber den ersten gab es nur in Japan – daher müssen wir den gedanklich streichen. In Deutschland startete die Legende des Type R mit dem etwas Van-artigen siebten Civic und 200 Sauger-PS.

Über die beiden Raumschiffe der Generationen acht und neun entwickelte sich der japanische Kompakte hin zur aktuellen Fließheck-Karosserie. Und hier setzt auch der Neue an. Die Plattform wurde grundlegend überarbeitet: ein bisschen mehr Radstand hier, eine breitere Spur dort. Komplett neu ist was anderes, aber das war ja auch genau das Ziel. Modernisieren, ohne den Charakter zu verlieren.

Optisch setzt Honda beim neuen Civic Type R auf stimmige Linien und weniger Krawall

Am frischesten ist die Optik: Gerade was die Sport-Anbauten angeht, ist Nummer fünf viel dezenter geraten. Nicht, dass er mit seinem großen Flügel, dem Entlüftungsschlitz in der Haube und den Sportschürzen nicht auch gut auf den Putz hauen würde, aber das Gesamtdesign ist viel ruhiger. Wenn Sie sich den Vorgänger ansehen, hat dieser unzählige kleine Lüftungsschlitze, dazu noch Finnen und Luftleitelemente am Heck. Der Flügel wirkt klobig, ein bisschen wie ein Nachrüstsatz vom Tuner ums Eck.

Die hinteren Radlaufverbreiterungen sind beim Vorgänger aufgeklebt, beim Neuen hat man in ein neues, verbreitertes Seitenteil investiert. Der Flügel ist nun geschwungen, liegt auf filigranen Stützen. Am Heck ist der Auspuff nach wie vor dreirohrig, allerdings liegt das dickere Rohr nun in der Mitte. Vorher war das umgedreht.

Auch bei den Felgen fährt der neue Type R dezenter vor. Die Schmiederäder sind 19 Zoll groß und eine Weiterentwicklung der 20-Zöller der letzten Limited Edition. Honda sagt, das geringere Gewicht bringe mehr als das eine Zoll. Alles für die Performance.

Der bekannte Zweiliter-Turbo leistet nun 329 PS

Apropos, was tut sich unter der Haube? Seit der Civic vom Sauger auf den Zwei­liter-Turbo umgestellt wurde, stieg die Leistung von 310 PS auf dann 320 und nun 330 PS. Wobei uns der verpflichtende Ottopartikelfilter eine Pferdestärke klaut. 420 Newtonmeter bedeuten 20 Nm mehr als bisher. Das Resultat sind 5,4 Sekunden auf Tempo 100 und 275 km/h Spitze.

Doch auf die Stammtischwerte kommt es uns gar nicht an: Wir sind für die erste Ausfahrt auf der ehemaligen Formel-1-Strecke von Estoril. Hier errang Ayrton Senna 1985 im Regen seinen ersten F1-Sieg, später sollte der Brasilianer dreimal Weltmeister werden – für Honda. Und geregnet hat es diesmal auch. Zum Glück nur am Vortag, aber ein bisschen feucht ist die Strecke noch, als wir morgens den Type R entern.

Der Innenraum wurde geradliniger, die Sitze sind schlicht ein Traum

Bei dieser Gelegenheit noch ein paar Worte zum Innenraum: Auch der ist geradliniger als gewohnt, mit nettem Materialmix und sauber verarbeitet. Griffiges Lenkrad, kurzer Alu-Schaltstummel, rutschfeste Sportpedale – Herz, was willst du mehr? Ja, genau: diese Sitze! Das Rot ist zwar Geschmacksfrage, aber über die restlichen Qualitäten lässt sich nicht streiten. Strammer Seitenhalt – auch im oft vernachlässigten Schulterbereich – und trotzdem so lümmelig gepolstert, dass die Langstrecke erholsam bleibt.

Aber jetzt ab auf die Piste: Wir tasten uns lieber von unten an das Limit heran. Das hat auch den entscheidenden Vorteil, dass bei dieser Taktik das Auto meist ganz bleibt. Dennoch muss das Sport-ESP bereits in der ersten Kurve regeln.

Es ist wirklich rutschig, und die 265er-Reifen haben noch keine Temperatur. Um diese Reifengröße unterzubringen, haben sie bei Honda übrigens die Vorderachsgeometrie angepasst und die Sturzsteifigkeit um 16 Prozent erhöht.
Runde um Runde steigern wir uns, werden immer schneller, die Strecke wird immer trockener. Auffällig: Trotz der Bedingungen bleibt er auf der Bremse bei vollem Ankerwurf extrem spurstabil. Beim Einlenken schmiert dagegen schnell die Vorderachse ab, wenn man es mit dem Lenkwinkel übertreibt.

Als die Strecke endlich abtrocknet, spielt der Type R sein volles Potenzial aus
Dann jedoch wird Kurve vier trocken, und der Civic zeigt zum ersten Mal sein Potenzial. Der Reifen beißt, wir steigern das Tempo. Jetzt wollen wir aber komplett bei Trockenheit fahren. Also bekommen wir nachmittags noch mal drei Runden. Und nun ist der Type R endgültig der spaßigste Kompakte, den wir je gefahren sind. Nicht, weil er ständig auskeilen würde, ganz im Gegenteil: weil er so verbindlich und handfest seine Runden zieht.

Der Motor hat richtig Punch, spricht unvermittelt an und klingt auch noch unverschämt gut. Die Hinterachse bleibt jederzeit stabil. Manche mögen das vielleicht nicht, aber sauschnell ist es. Dadurch können wir extrem spät verzögern und sogar unter Lenkeinschlag in die Kurve hineinbremsen.

Unser Instruktor habe schon den Rundenrekord des Vorgängers geknackt, heißt es. Und beim Vorgänger saß kein Geringerer als Ex-F1-Pilot Tiago Monteiro am Steuer. Mal sehen, was demnächst Kollege Guido Naumann aus dem Type R herausholt.

55.500 Euro Basispreis – rund 30 Prozent teurer als der Vorgänger

Am Schluss müssen wir noch zum unangenehmen Teil des ganzen Spaßes kommen: dem Preis. Mal das Limited-Edition-Sondermodell weggerechnet, startete der letzte Honda Civic Type R bei 38.550 Euro, der GT bei 42.650 Euro.
Wegen der überragenden Kaufrate des Topmodells lässt Honda die günstigen Ausstattungen einfach mal weg. Der Neue hat alles an Bord, was einst den GT ausmachte – und noch ein bisschen mehr. Dennoch klappte uns erst mal die Kinnlade gen Süden, als wir die aufgerufenen 55.500 Euro verarbeitet hatten. Rund 13.000 Euro oder 30 Prozent mehr als bislang, das ist nahe an unverschämt – auch wenn das Auto selbst der absolute Knaller geworden ist.

Fazit
Unglaublich, was Honda hier wieder gezaubert hat. ­Fahrdynamisch bietet der neue Civic Type R allerhöchstes Kompaktniveau. Stabile Bremse, griffige Vorderachse, kräftiger Motor. Wenn nur der happige Preis nicht wäre.

Uunterstützen die Ukraine