Und Verkehrsminister Andreas Scheuer will nun schnellstens Taten von Zetsche sehen.
Die wichtige Frage, welche Ausmaße der Fall hat, ist beantwortet - aber es ist nicht die einzige. Denn einfach so hinnehmen will Daimler Scheuers Anweisung nicht.
Worum genau geht es?
Mal wieder um eine aus Sicht der Behörden illegale Abschalteinrichtung, die die Abgasreinigung im Normalbetrieb auf der Straße reduziert und damit für einen erhöhten Ausstoß schädlicher Stickoxide sorgt. Wie zuvor bei anderen Herstellern haben die Regulierer auch in Autos von Daimler spezielle Programmierungen entdeckt, die sie als unzulässig eingestuft haben. Ging es zunächst nur um zwei Funktionen der Motorsteuerung in knapp 5000 Exemplaren des Kleintransporters Mercedes-Benz Vito, muss Daimler nun europaweit rund 774.000 Diesel-Autos zurückrufen, 238.000 davon in Deutschland, darunter beliebte Modelle wie die C-Klasse und der GLC. Österreich-Zahlen werden nicht bekannt gegeben.
Was sagt Daimler dazu?
Zu den jüngsten Entwicklungen erst einmal nicht viel. Im Fall des Vito hatte der Autobauer allerdings nicht bestritten, dass es die kritisierten Funktionen in der Motorsteuerung gibt - wohl aber, dass sie illegal seien. „Die Funktionen sind Teil eines komplexen Abgasreinigungssystems, das eine robuste Abgasreinigung bei unterschiedlichen Fahrbedingungen und über die Nutzungsdauer eines Fahrzeugs sicherstellen soll. Für das Bestehen des maßgeblichen Test-Zyklus NEFZ sind die in Frage stehenden spezifischen Programmierungen nicht erforderlich", hatte Daimler da betont. Soll heißen: Die Programmierung habe nicht dazu gedient, dass die Fahrzeuge Tests bestehen, die sie ohne sie nicht bestehen würden.
Werden jetzt also etliche weitere Modelle in die Werkstatt gerufen?
Ja, aber das wäre sowieso der Fall gewesen. Daimler hatte schon vergangenes Jahr Software-Updates für etwa drei Millionen Diesel angekündigt - um das Emissionsverhalten zu verbessern, wie es hieß. Dazu gehören auch der Vito und die meisten anderen Diesel-Modelle, um die es jetzt geht. Der gravierende Unterschied: Auch diese Aktion muss das KBA zwar genehmigen, sie ist aber nicht von der Behörde angeordnet gewesen, sondern eine freiwillige Zusage von Daimler. Und für die allermeisten der betroffenen Autos hat die Nachbesserung auch immer noch nicht begonnen. Jetzt geht es um einen Zwangsrückruf - verbunden mit der amtlichen Feststellung, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung verwendet worden ist.
Legt Daimler deshalb Widerspruch gegen den KBA-Bescheid ein?
Der Autobauer hatte schon im Vito-Fall angekündigt, die unterschiedlichen Auffassungen darüber, was illegal ist und was nicht, notfalls vor Gericht klären zu lassen: „Die Möglichkeit dazu ist ein Grundpfeiler der Rechtsstaatlichkeit. Uns geht es darum, Klarheit in einer überaus komplexen Sache zu erlangen." Als Widerspruch zur Ankündigung, mit den Behörden zu kooperieren, sieht Daimler das nicht. Man habe unterschiedliche Rechtsauffassungen, und die wolle man geklärt haben.
In solchen Fällen - gerade wenn es womöglich auch um Geld geht - muss der Vorstand des Dax-Konzerns allerdings auch alles tun, was er tun kann, um Nachteile vom Unternehmen fernzuhalten. Ansonsten drohen Ärger mit Aufsichtsrat und Aktionären und sogar Klagen. Zudem hatte Zetsche höchstpersönlich einst betont, bei Daimler werde bei der Abgasreinigung nicht betrogen.
Daimler ist auch nicht der erste Hersteller, der auf einen Zwangsrückruf vom KBA mit einem Widerspruch reagiert, wie das Verkehrsministerium auf Anfrage mitteilte. Allerdings: „Bisherige Widersprüche wurden von den Herstellern zurückgenommen." Um wen es geht, will das Ministerium nicht verraten.
Und was unternimmt die Justiz?
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt schon seit dem Frühjahr 2017 wegen des Verdachts des Betruges und der strafbaren Werbung gegen Daimler-Mitarbeiter. Daran hat sich nach dem KBA-Bescheid in Sachen Vito auch nichts geändert. Der Behörde zufolge ist das Modell schon vorher Gegenstand der Ermittlungen gewesen.
Auch in den USA hat Daimler schon länger Ärger wegen angeblicher Abgas-Manipulation. Im Februar 2016 startete der bekannte Anwalt Steve Berman im Auftrag von Dieselbesitzern einen Rechtsstreit um angebliche Überschreitungen der Stickoxid-Grenzwerte - und rief damit die Umweltbehörde EPA auf den Plan.
Im April 2016 schockte der Konzern seine Aktionäre dann mit einer Pflichtmitteilung: Das US-Justizministerium habe angeordnet, das Zustandekommen der offiziellen Abgaswerte in den Vereinigten Staaten intern und unter Einbeziehung der US-Aufseher unter die Lupe zu nehmen. Die Aktie ging vorübergehend auf Talfahrt, auch wenn Daimler alles daran setzte, dem Eindruck einer zweiten Abgas-Affäre im Stile des VW-Skandals entgegenzuwirken.
Zum aktuellen Stand wollen sich weder die US-Justiz noch die EPA äußern. Bei Bermans Sammelklagen ging es hin und her - nachdem Daimler zunächst einen Punktsieg verbuchte und die erste Klage abgewiesen wurde, legte der Anwalt seine Vorwürfe rasch in abgewandelter Form erneut dem Richter vor. Das Verfahren beim Gericht in New Jersey geht weiter - Ausgang ungewiss.
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