Wirklich garantiert problemlos?

1 year, 11 months ago - 19. March 2023, auto motor und sport
Wirklich garantiert problemlos?
ZuverlÀssig, aber langweilig? Nur dank Garantie attraktiv? Alles Unsinn.

Der Kia Ceed macht Schluss mit Relativierungen und Rechtfertigungen. Seit 2018 glĂ€nzt der Kompakte mit hervorragenden Testwerten – und das auch noch auf Dauer. Wir suchten MĂ€ngel und fanden kaum Nennenswertes.

Der Nachbar sucht ein neues Auto. AnsprĂŒche? Was Modernes. GrĂ¶ĂŸe? Groß genug. Und sonst? Was Gebrauchtes vielleicht 
 Wem als Autokenner derart spezifische GesprĂ€che bekannt vorkommen, der hat ihn womöglich schon empfohlen, den aktuellen Kia Ceed. Seit 2018 hat er die Tigernase in vielen Vergleichstests vorn. Reichhaltige Ausstattungen, gute Verarbeitung, moderne Anmutung, rĂ€tselfreie Bedienung und vor allem der alte Kia-Trumpf der siebenjĂ€hrigen Garantie sorgen fĂŒr Bestnoten.

Und wo ist der Haken? Muss besagte Garantie stĂ€ndig bemĂŒht werden? Mitnichten.

Karosserie: Saubere Sache

Die Geschwistermarken Hyundai und Kia haben in den vergangenen Jahrzehnten alles ĂŒber den KĂ€ufergeschmack in den ZielmĂ€rkten gelernt. Optisch wie formell bildet der Ceed in seinen verschiedenen Varianten eine gelungene Mischung aller erdenklichen Kompaktformate, die sich vom Astra ĂŒber den Octavia bis zum CLA Shooting Brake erstrecken. Das Resultat ist zudem klapperfrei, rostresistent und arm an WindgerĂ€uschen. Der Unterboden glĂ€nzt zwar nicht mit ĂŒppigen Wachsschichten, verzichtet dafĂŒr aber auf unsaubere Blechkanten oder rostfördernde Schmutzecken. Wer hier nicht permanent durch Streusalz fĂ€hrt und hin und wieder den Unterboden reinigt, hat auf lange Sicht nichts zu befĂŒrchten. Je nach Erstauslieferung (zum Beispiel nach Skandinavien) werden manche Exemplare allerdings beim HĂ€ndler noch nachtrĂ€glich versiegelt. Kleine Besonderheit: Aus dem Werk in der Slowakei rollen ĂŒbrigens keine Ceed mit AnhĂ€ngerkupplung. Sie wird nur vorgerĂŒstet und erst beim HĂ€ndler montiert.

Innenraum: Hohe QualitÀt, nicht immer polterfrei

Gut – wenn es also am Blechkleid keine Probleme zu finden gibt, widmen wir uns dem Interieur. Dass hier alles fein gemacht wirkt und prima bedienbar ist, kennen wir aus den fabrikneuen Werktestwagen. Doch auch unser Gebrauchtkandidat mit immerhin 62.000 Kilometern auf dem ZĂ€hler macht hier keinerlei Abstriche. Zugegeben: Der noble Eindruck kommt nur da auf, wo Auge und Hand regelmĂ€ĂŸig hinfallen. Gerade im unteren Teil des Cockpits finden sich klassenĂŒblich mehr Hartplastik und nicht ĂŒberall hochwertige Teppiche – geschenkt.

Schwerer wiegt da das Klagen vieler Besitzer ĂŒber Knarz- und KnackgerĂ€usche in den TĂŒrverkleidungen und rund um die Mittelarmlehne. Beispiele dafĂŒr finden sich baujahresĂŒbergreifend. Unser Fotoauto ist jedoch nicht davon betroffen.

Motoren: UnauffÀllig

Unser 2018er-Fotoauto stand im Februar 2023 fĂŒr 20.850 Euro beim Kia-Autohaus Feser Scharf Metropol Automobile im frĂ€nkischen Roth zum Verkauf und besitzt den lebendigen 136-PS-Diesel in Kombination mit dem Siebengang-DKG. Beides steht auch heute noch in der Preisliste. Wer eifrig sucht, findet, dass der Diesel zum Ende des 2018er-Modelljahres gelegentlich mit problematischen Injektoren auffiel, die aber allesamt auf Kulanz ersetzt wurden. Dem Werkstattmeister unseres Kia-Autohauses, Sebastian WeißmĂŒller, begegnete allerdings nur eine Handvoll betroffener Fahrzeuge.

Gefragter als die Diesel sind derzeit die Benziner. Hier beginnt die Reise beim Einliter-Dreizylinder, der mit 100 und 120 PS zu haben ist, dabei aber stets 172 Newtonmeter liefert. Beide Antriebe genĂŒgen fĂŒr den Stadtverkehr und gelegentliche Landpartien. Wie alle anderen Benziner besitzt der kleine Motor eine haltbare Steuerkette. Über ihm rangieren antrittsstarke Vierzylinder-Turbos mit 140 bis 204 PS. Allen gemein ist die auffĂ€llige Problemlosigkeit. Echte Achillesfersen gibt es nicht. Wer es vollends unzerstörbar liebt, kann außerdem den gemĂ€chlichen 1.4-Saugbenziner mit 99 PS wĂ€hlen.

Getriebe: Ab Facelift mit automatisierter Kupplung

Wer ein Schaltgetriebe bevorzugt, bekommt bei diesem Motor (sonst nicht) seit Sommer 2020 eine elektrisch betĂ€tigte Kupplung. Hinter dem KĂŒrzel IMT (Intelligent Manual Transmission) verbirgt sich die FĂ€higkeit, zum Beispiel bei lĂ€ngeren Bergabfahrten in den Segelbetrieb zu wechseln und dabei den Motor sogar auszuschalten, ohne dass der Fahrer auskuppeln muss. Wird wieder Vortrieb benötigt, schleift sich der Antrieb unmerklich wieder ein. An der Bedienung von Kupplungspedal und Schalthebel Ă€ndert sich nichts. Die Ersparnis (laut Kia bis zu zehn Prozent) hĂ€ngt stark vom Fahrprofil ab. Mit herkömmlicher Kupplung und 115 PS gab es den SelbstzĂŒnder bis Ende 2020 auch.

Fahrwerk: Nicht emotional, aber fahrsicher

Auf der Probefahrt bleibt auch das Fahrwerk polterfrei – das sollte in der Regel bei Exemplaren mit hohen Laufleistungen der Fall sein. Der stets vorderradgetriebene Ceed besitzt eine hochwertige Mehrlenker-Hinterachse, deren Lager sich durchweg als haltbar erweisen. Es entsteht ein prĂ€ziser Fahreindruck mit durchschnittlichem Komfort. Im Vergleich zur deutschen Konkurrenz bleibt nur ein etwas feineres Ansprechverhalten der Federung und eine mitteilsamere Lenkung zu wĂŒnschen. Meckert man also auf hohem Niveau, ließe sich dem Ceed ein etwas belangloses Handling attestieren. Wer es straffer, prĂ€ziser und direkter liebt, darf gern auf den technisch annĂ€hernd identischen Proceed ausweichen, der deutlich gefĂŒhlsechter fĂ€hrt.

MĂ€ngel: Nicht viel zu finden

Was stört uns denn ĂŒberhaupt am MĂ€ngelzwerg Ceed? Einziger Nervpunkt, der sich mit etwas Missgunst als SchwĂ€che bezeichnen ließ, ist das Schaltverhalten der Doppelkupplungs-Automatik. In vielen Situationen zeigt es sich trĂ€ge oder stolperig, weil es oft eilfertig die höchstmögliche Fahrstufe einlegt oder zu lange darin verweilt. Zumindest gelingt auf die Weise das Anfahren und Anhalten fast immer schön sanft. Der Gangwechsel im Schaltgetriebe flutscht in aller Regel geschmeidig von der Hand. Achtung: Ähnlich vereinzelt wie bei den Knarzkandidaten gibt es Kundenbeschwerden ĂŒber schwergĂ€ngig werdende Getriebe bis hin zur Unfahrbarkeit. Diese seltenen FĂ€lle treten in verschiedenen Hyundai- und Kia-Modellen auf und lassen sich allein auf VerarbeitungsmĂ€ngel im Zusammenbau des SchaltgestĂ€nges zurĂŒckfĂŒhren. Über eine chronische Schwachstelle im Getriebe ist jedoch nichts bekannt, auch weil im Falle eines Falles die viel gerĂŒhmte Garantie greift.

Garantie: Der Kia-Pluspunkt

Nun hat es bis zum Ende dieser Kaufberatung gedauert, bis wir auf die Garantie eingehen. Einen Ă€hnlichen Stellenwert genießt die auch im echten Leben der Kia-Besitzer. Die Garantie schafft in erster Linie ein gutes Gewissen. Muss sie tatsĂ€chlich mal in Kraft treten, liegt es fast immer an EinzelfĂ€llen, und selbst das geschieht selten. Neben der maximal siebenjĂ€hrigen Laufzeit der Garantie gibt es zudem noch eine Limitierung auf 150.000 Kilometer. Kleiner Wermutstropfen: Wird (ob mit oder ohne Garantie) mal ein Ersatzteil fĂ€llig, das ĂŒber das ĂŒbliche Verschleißmaterial hinausgeht, kann es stellenweise zu teils mehrwöchigen Wartezeiten kommen. Die Teile-Logistik ließe sich also noch verbessern.

Preise: Angemessen teuer

Der Ceed ist kein SchnĂ€ppchen. Am Kompakt-Urmeter Golf gemessen, liegt der FĂŒnftĂŒrer meistens gleichauf, und bietet höchstens dann einen kleinen Preisvorteil, wenn die bei Kia meist ĂŒppigere Ausstattung eingerechnet wird. Die schickere Optik von ProCeed und XCeed wird in der Regel auf dem Gebrauchtmarkt noch teurer gehandelt, ohne dass die Modelle erhebliche Vorteile böten. Ein Detail am Proceed: Das hintere Leuchtband besitzt ab Werk einen minimalen Höhenunterschied an den Trennstellen zur Heckklappe. Was nach unfallbedingt leicht verschobenen Spaltmaßen aussieht, ist normal und kein Grund zur Sorge. Wenn wir so tief ins Detail gehen mĂŒssen, um Schwachpunkte eines Modells zu finden, ist das unterm Strich ein hervorragendes Zeugnis. Der Ceed ist ein exzellenter Gebraucht-Tipp – garantiert!

FAZIT

Im Bekanntenkreis werde ich hĂ€ufig um Empfehlungen zum Autokauf gebeten. Die liefere ich prompt, mit Freude und gern auch facettenreich bis ins letzte Detail – Berufsehre! Oft geht es den Kaufinteressenten aber gar nicht ums feinste Fahrwerk oder den letzten Zentimeter Knieraum im Fond. GewĂŒnscht ist stattdessen ein sicheres GefĂŒhl beim Kauf und die innere Ruhe beim Fahren, alles richtig gemacht zu haben. Beides bietet der Ceed, und zwar auf lange Sicht.

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