(dpa/Reuters/mas/brü/jr) In der Dieselaffäre beim Volkswagen-Konzern sitzt mit Audi-Chef Rupert Stadler erstmals ein Mitglied der obersten Führungsetage in Untersuchungshaft. Das Amtsgericht München erließ am 18. Juni 2018 Haftbefehl gegen den Audi-Chef. Auf der regulären Aufsichtsratsitzung bei VW vertagte das Kontrollgremium seine Entscheidung über die Neubesetzung des Chefpostens bei Audi jedoch. "Die Aufsichtsräte von Volkswagen AG und Audi AG haben heute noch keine Entscheidung getroffen und prüfen die Sachlage weiterhin", teilte ein Sprecher des VW-Aufsichtsrates schriftlich mit. Am Abend war dem Vernehmen nach weiterhin denkbar, dass Audi-Vertriebschef Bram Schot das Amt vorläufig übernimmt. Eine Entscheidung über eine Beurlaubung von Stadler als Audi-Chef fiel am Montag nicht. Der 56-Jährige Schot ist seit rund einem Dreivierteljahr Vertriebsvorstand bei Audi.
Richterin verhängt U-Haft für Stadler
Stadler wurde am frühen Montagmorgen bei sich zu Hause in Ingolstadt festgenommen und im Anschluss der Ermittlungsrichterin vorgeführt. "Die Richterin ordnete den Vollzug der Untersuchungshaft an", teilte die Münchner Ermittlungsbehörde mit. Begründet wurde die Haft mit Verdunkelungsgefahr. Diesen Haftgrund führt die Justiz an, wenn sie befürchtet, dass Beweismittel vernichtet werden könnten oder jemand versucht, auf Zeugen einzuwirken. Bei der Haftrichterin machte Stadler laut Staatsanwaltschaft keine Angaben zur Sache. Seine Vernehmung soll spätestens am Mittwoch (20. Juni 2018) beginnen. Vergangene Woche hatte die Staatsanwaltschaft München überraschend Stadlers Privatwohnung durchsucht und dies mit Betrugsverdacht in der Dieselaffäre begründet. Auch die Wohnung eines anderen amtierenden Audi-Managers war durchsucht worden. Stadler, der Audi seit 2007 lenkt, steht seit Bekanntwerden des Abgasskandals vor mehr als zweieinhalb Jahren im Zentrum der Kritik.
Rückruf für den A8?
Laut eines Zeitungsberichts drohen Audi weitere Fahrzeugrückrufe durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA). Die Behörde untersuche das neueste Dieselmodell des A8 auf unzulässige Abschaltvorrichtungen der Abgasreinigung, berichtete die BILD am SONNTAG am 17. Juni. Im Bundesverkehrsministerium hieß es, das KBA überprüfe fortlaufend Fahrzeuge. Dies treffe auch auf den A8 zu. Weitere Informationen könnten vor Abschluss der Prüfungen nicht weitergegeben werden. Ein Audi-Sprecher wollte den Bericht am Sonntag nicht kommentieren. Audi hatte kürzlich mitgeteilt, die interne Überprüfung seiner Sechszylinder-Dieselmotoren auf Abgastricksereien in Kürze abschließen zu wollen. Die Ergebnisse sollen voraussichtlich im Juli 2018 dem KBA zur Bewertung vorgelegt werden. Vor einem Jahr hatte die VW-Tochter angekündigt, 850.000 Autos mit Sechs- und Achtzylindermotoren unter die Lupe zu nehmen. Die Hälfte der Motoren war in Ordnung, bei einem Viertel steht die Bewertung des KBA noch aus, für 216.000 wurden Rückrufe angeordnet.
Eine Milliarde Bußgeld gegen VW
Zuletzt hatte die Staatsanwaltschaft Braunschweig in der Dieselaffäre ein Bußgeld über eine Milliarde Euro gegen Volkswagen verhängt. Den Ermittlungen zufolge sei es zu "Aufsichtspflichtverletzungen in der Abteilung Aggregate-Entwicklung im Zusammenhang mit der Fahrzeugprüfung" gekommen, heißt es in einer VW-Mitteilung vom 13. Juni 2018. Diese seien laut Staatsanwaltschaft "mitursächlich" dafür, dass von Mitte 2007 bis 2015 "insgesamt 10,7 Millionen Fahrzeuge mit dem Dieselmotor der Typen EA 288 (Gen3) in den USA und Kanada sowie EA 189 weltweit mit einer unzulässigen Softwarefunktion beworben, an Abnehmer veräußert und in den Verkehr gebracht wurden". Verbraucherschützer bewerten das Bußgeld als positiv, sehen aber für die Besitzer der betroffenen Autos dadurch erst einmal keine Auswirkungen: "Sie stehen bislang weiter allein mit ihrem Schaden da", sagte der Chef der Verbraucherzentrale Bundesverband, Klaus Müller. Er regte einen Fonds für die Hardware-Nachrüstung von Dieseln an, die wegen Abgasmanipulationen bald mit Fahrverboten belegt werden könnten. So könnten Verbraucher von solchen Hersteller-Geldern profitieren.
VW nimmt die Strafe hin
Die Geldbuße setzt sich laut Volkswagen aus dem gesetzlichen Höchstmaß einer Ahndung in Höhe von fünf Millionen Euro sowie einer Abschöpfung wirtschaftlicher Vorteile in Höhe von 995 Millionen Euro zusammen. Der Autobauer kündigte an, gegen die Geldbuße keine Rechtsmittel einlegen zu wollen. "Volkswagen bekennt sich damit zu seiner Verantwortung für die Dieselkrise und sieht darin einen weiteren wesentlichen Schritt zu ihrer Bewältigung", heißt es weiter in der Mitteilung. Damit werde ein laufendes Ordnungswidrigkeitsverfahren beendet.
Verfahren gegen Audi-Chef Stadler eröffnet
Zuletzt rückte im Dieselskandal Audi-Chef Rupert Stadler ins Visier der Ermittler. Seit dem 30. Mai 2018 würden der Audi-Vorstandsvorsitzende sowie ein weiteres Mitglied des Vorstands der VW-Tochter aus Ingolstadt zu den Beschuldigten gerechnet, teilte die Staatsanwaltschaft München II am 11. Juni 2018 mit. Ihnen werde Betrug sowie mittelbare Falschbeurkundung zur Last gelegt. Hierbei gehe es um den Vorwurf, dass Diesel-Fahrzeuge mit manipulierter Software zur Abgassteuerung auf den europäischen Markt gebracht wurden. Die Zahl der Beschuldigten in dem Ermittlungsverfahren erhöhte sich damit auf 20. Um Beweismaterial zu sichern, seien die Privatwohnungen der beiden genannten Beschuldigten durchsucht worden. Ein Audi-Sprecher bekräftigte, die VW-Tochter kooperiere mit den Ermittlern. Von Volkswagen war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten. Stadler hat jede Beteiligung an den Manipulationen bestritten und konnte sich trotz interner Kritik bisher als Audi-Chef halten. Als einziger Beschuldigter kam der ehemalige Chef der Audi-Motorenentwicklung und Porsche-Entwicklungsvorstand in Untersuchungshaft. Er war im September 2017 festgenommen worden. Einer seiner früheren Mitarbeiter bei Audi in Neckarsulm war nach mehreren Monaten Untersuchungshaft im November 2017 wieder freigekommen.
Ex-VW-Chef Winterkorn als Zeuge geladen
Ex-Volkswagen-Chef Martin Winterkorn soll einem BILD-Bericht zufolge in einem Prozess um Anlegerklagen wegen des Dieselskandals vor dem Landgericht Stuttgart aussagen. In dem ab Mitte September 2018 laufenden Verfahren hat ein Richter insgesamt 28 Zeugen geladen. Neben Winterkorn seien unter anderem auch Bosch-Chef Volkmar Denner und Audi-Boss Rupert Stadler geladen, berichtete BILD am 7. Juni 2018. Es gebe zudem eine Anfrage an die Bundesregierung, Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer wegen dessen früherer Tätigkeit als Staatssekretär des Ministeriums vernehmen zu dürfen. Auch Ex-Minister Peter Ramsauer (beide CSU) stehe auf der Liste. Hintergrund ist eine Schadenersatzklage gegen VW und dessen Großaktionär Porsche SE. Anleger sehen sich durch den Zeitpunkt der Veröffentlichung des Abgasbetrugs in den USA im September 2015 getäuscht. Sie hätten deshalb Kursverluste mit VW-Aktien erlitten.
60.000 Cayenne und Macan in die Werkstatt
Der Abgasskandal holt Porsche wieder ein: Nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) muss der deutsche Autohersteller weltweit rund 60.000 Diesel wegen unzureichender Abgasreinigung zurückrufen. Betroffen sind die SUV-Modelle Cayenne und Macan, von denen 6800 bzw. 53.000 Fahrzeuge überprüft werden müssen. Ein KBA-Sprecher bestätigte am 18. Mai 2018 entsprechende Berichte. Allein in Deutschland gehen etwa 15.000 Macan und 4000 Cayenne in die Werkstätten. Hintergrund der Aufforderung: KBA-Prüfer fanden beim Macan fünf illegale Abschalteinrichtungen, durch die die Abgasreinigung nur auf dem Prüfstand, nicht aber im Straßenverkehr ordnungsgemäß funktioniert. Porsche selbst wollte sich zu den Vorwürfen bislang nicht äußern, ein Sprecher bestätigte aber die KBA-Anordnung. Der Sportwagenhersteller teilte zudem mit, dass eine technische Lösung für die Cayenne-Modelle mittels eines Software-Updates schon weit fortgeschritten sei. Beim Macan werde diese noch erarbeitet.
Wo sind die vielen VW-Schummeldiesel?
Im Zuge des Abgasskandals mussten in den USA Tausende Schummeldiesel von Volkswagen zurückgekauft werden. Sie parken an vielen Stellen, von denen einige sogar auf Satellitenbildern zu sehen sind! An einem Football-Stadion in Detroit, auf dem Gelände einer dichtgemachten Papierfabrik in Minnesota oder in Kalifornien auf einem Frachtflughafen nahe Victorville, wie auf der unten eingebundenen Karte gut zu erkennen ist. Die Zukunft der stillgelegten Autos ist ungewiss. VW hatte Pläne zum Umbau der sogenannten Schummeldiesel vorgestellt, denen die US-Behörden aber erst zustimmen müssen. Je nachdem könnten die Fahrzeuge als Gebrauchtwagen wieder in den Umlauf kommen – oder sie müssen werden. Hier der Blick aus dem All auf einen Friedhof der Schummeldiesel:
Urteil: VW-Händler muss Schummeldiesel tauschen
Mitte März verurteilte ein deutsches Gericht erstmals einen VW-Händler, einen mit dem "Schummelmotor" ausgerüsteten Diesel auch nach dem vorordneten Software-Update gegen einen Neuwagen zu tauschen. Allerdings dürfte dies ein Einzelfall bleiben, denn ein Grundsatzurteil zu diesem Thema steht noch aus. Dennoch ist die Einzelfallentscheidung ein positives Signal für viele Besitzer von Schummeldieseln. Sollten andere Richter dieser Linie folgen, besteht eventuell die Chance auf eine Entschädigung der betrogenen
Diesel kaufen: Pro und Kontra
Überblick: Was Sie über den Abgasskandal wissen sollten
VW hatte am 18. September 2015 eingeräumt, Abgaswerte mit einer illegalen Abschalteinrichtung manipuliert zu haben. Diese erkennt, ob ein Auto auf dem Prüfstand getestet wird und reguliert auch nur dann den Schadstoffausstoß. Im normalen Verkehr auf der Straße ist das System dagegen abgeschaltet. Der Skandal kostete die Wolfsburger in den USA bisher umgerechnet mehr als 25 Milliarden Euro. Hier ein Überblick über den Stand der Dinge und die wichtigsten Baustellen:
Die Rückrufaktion – Fragen zur Umrüstung
Neue Rückrufe für Audi: Am 21. Januar 2018 hat das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) einen erneuten Rückruf angeordnet. für rund 130.000 V6-Dieselfahrzeuge von Audi einen Zwangsrückruf verhängt. Audi sei darüber informiert worden, dass die Behörde bei rund 130.000 V6-Dieselfahrzeuge der Modelle A4, A5, A6, A7, A8, Q5, SQ5 und Q7 mit der Abgasnorm 6 "unzulässige Abschaltvorrichtungen" festgestellt habe, sagte ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums. Bei Audi hieß es, man untersuche seit Monaten mit Hochdruck alle Diesel-Konzepte auf etwaige Unregelmäßigkeiten und Nachrüstungspotenziale. Erst im November 2017 hatte der Ingolstädter Autobauer den europaweiten Rückruf von 4997 Audi A8 (Bautyp D4) mit 4,2-Liter-V8-Dieselmotor angekündigt, um ein Software-Update zu installieren. 3660 davon fahren auf deutschen Straßen. Bei technischen Überprüfungen dieser Fahrzeuge mit Euro-6-Abgasnorm seien überhöhte Stickoxid-Werte festgestellt worden, sagte ein Sprecher. Die zurückgerufenen A8-Modelle mit 4,2-Liter-Motor wurden laut Audi zwischen September 2013 und August 2017 produziert, seitdem nicht mehr. Audi überprüft seit Ende vergangenen Jahres systematisch alle Dieselmotor-Getriebekombinationen.
Rückruf für den VW Touareg: Im Dezember 2017 ordnete das KBA einen Zwangsrückruf für 57.600 Touareg – davon 25.800 in Deutschland – mit Dreiliter-Motor und Euro 6 der Baujahre 2014 bis 2017 an. Bei ihnen wurden eine nur auf dem Prüfstand tätige "schadstoffmindernde Aufwärmstrategie" sowie eine unzulässige Einschränkung der Harnstofflösung AdBlue bei Fahrzeugen mit SCR-Abgaskatalysator festgestellt.
Stand des Rückrufs insgesamt: In Deutschland gibt es rund 2,5 Millionen Autofahrer mit einem manipulierten Diesel des Konzerns, betroffen sind Fahrzeuge von VW, Audi, Seat, Skoda und Porsche (weitere Infos dazu hier: Was VW-Fahrer wissen müssen). Mittlerweile (Stand Januar 2018) hat Volkswagen mehr als zwei Millionen der Fahrzeuge nachgerüstet. Seit Mitte Mai 2017 hat der Konzern EU-weit alle Genehmigungen der zuständigen Regulierungsbehörden zur Umrüstung der Motoren vom Typ EA189 zusammen. Insgesamt sollen vier Millionen Diesel in Deutschland, also 1,5 Millionen mehr als vom Skandal offiziell betroffen, mit besserer Abgastechnik ausgestattet werden. Zudem hat die VW-Tochter Audi die Umrüstung von bis zu 850.000 Fahrzeugen angekündigt.
Was ist mit noch nicht nachgerüsteten Autos?
Rund 200.000 vom Dieselskandal betroffenen Besitzern von Volkswagen-Autos drohen 2018 massive Probleme – schlimmstenfalls sogar die Stilllegung ihres Fahrzeugs. Wer sein Fahrzeug nicht innerhalb von 18 Monaten nachrüsten lässt, bekommt keine neue HU-Plakette. Betroffen ist bereits der VW Amarok, ab Februar 2018 kommen unter anderem VW Golf, VW Tiguan, VW Passat und Audi A4 hinzu. Einige Autofahrer weigern sich, das verbindliche Software-Update vornehmen zu lassen, weil sie Nachteile für ihren Motor fürchten. Bei wenigen Amarok-Fahrzeugen ordneten Behörden bereits Stilllegungen an, gegen die sich die Besitzer jedoch teilweise erfolgreich juristisch zur Wehr setzten.
Begrenzte Gewährleistung für zwei Jahre: Volkswagen will mögliche Defekte im Zusammenhang mit der Umrüstung von manipulierten Dieselautos zwei Jahre lang kostenlos beheben. Es seien zwar bislang keine Probleme bekannt, sagte ein VW-Sprecher Mitte Juni 2017, sie würden aber im Falle des Falles geprüft. VW versprach dafür "kunden-individuelle Lösungen". Die Lösung gelte auch für Kunden, die ihr Auto bereits umgerüstet haben, bis zu zwei Jahre nach dem Software-Update. Die Zugeständnisse von VW sind das Ergebnis von Verhandlungen mit der EU-Kommission. Mit einer Entschädigung durch den Autokonzern dürfen Kunden allerdings weiterhin nicht rechnen.
Der aktuelle Ermittlungsstand
Was wir wissen: Bis heute ist die Verantwortung für den Betrug ungeklärt, ebenso, wann genau Top-Manager im VW-Konzern von den Manipulationen wussten. Kam die Anweisung von ganz oben? Oder trafen eine Handvoll Ingenieure auf mittlerer Ebene diese folgenschwere Entscheidung, ohne die Führungsebene zu informieren? So stellt es VW dar. Oder wusste der Vorstand schon viel früher vom Betrug, als er zugeben will? Laut "Spiegel" habe Ex-VW-Patriarch Ferdinand Piëch eben dies gegenüber der Staatsanwaltschaft Braunschweig ausgesagt: dass er den damaligen VW-Chef Martin Winterkorn bereits im Februar 2015 auf einen Hinweis auf Probleme in den USA bezüglich manipulierter Abgaswerte angesprochen habe. Ein Ingenieur soll bereits 2007 einem größeren Kreis von Audi-Managern in einer E-Mail geschrieben haben, dass man es "ganz ohne Bescheißen" nicht schaffen werde, die US-Grenzwerte beim Schadstoffausstoß von Dieselwagen einzuhalten. Unklar ist auch noch, ob VW die Aktionäre rechtzeitig informiert hat.
Software offenbar bei Audi entwickelt: Die Anfänge des Abgasskandals gehen auf die Konzerntochter Audi zurück, recherchierte das "Handelsblatt". Bereits 1999 hätten Motorenentwickler bei den Ingolstädtern Optionen erarbeitet, wie man den schärferen Grenzwerten begegnen könne. Geplant wurde dem Bericht zufolge auch der Einsatz einer illegalen Abschalteinrichtung. Zum Einsatz sei es bei Audi aber nicht gekommen. Erst 2005 sei die Software bei VW beim Dieselmotor EA 189 installiert worden, von da an wurde sie nach bisherigem Erkenntnisstand diverse Mal upgedatet.
Vorwürfe gegen Porsche: Ende Juli 2017 ordnete das KBA für 22.000 Porsche Cayenne 3.0 TDI mit V6-Motor nach Euro 6 einen verpflichtenden Rückruf an. Bereits im Februar hatte der "Spiegel" berichtet, dass ein vom TÜV Nord getesteter Porsche Cayenne 3,0 Liter V6 TDI mit einer Technik ausgestattet war, die dafür sorge, dass der Geländewagen auf dem Prüfstand die Grenzwerte einhalte, im Straßenverkehr jedoch deutlich mehr Stickoxide ausstoße als gesetzlich zulässig. Eine Getriebesteuerung erkenne mithilfe von Sensoren, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder auf der Straße befinde und sorge dafür, dass der Wagen mal die Grenzwerte einhalte und mal nicht. Porsche hatte damals erklärt, der beim TÜV-Nord durchgeführte Test sei "nicht plausibel nachvollziehbar".
Geheimniskrämerei um eigene Ermittlungen: Volkswagen wird entgegen früherer Ankündigungen keinen ausführlichen Bericht zu den Ermittlungsergebnissen der Anwaltskanzlei Jones Day im Diesel-Abgasskandal veröffentlichen. Das teilte der Hersteller am 10. Mai 2017 mit. Die renommierte Kanzlei hatte seit 2015 ganze Berge von Dokumenten gesichtet und ausgewertet. VW begründete die Entscheidung mit rechtlichen Risiken. Das Unternehmen stehe in der Verpflichtung, sich "nicht in Widerspruch zu den im 'Statement of Facts' (Sammlung in Zusammenarbeit mit dem US-Justizministerium; d. Red.) angegebenen Fakten" zu äußern.
Das passiert in den USA
Die USA, wo strengere Abgas-Grenzwerte gelten als in Europa, spielen nach wie vor eine zentrale Rolle im Dieselskandal. Dort wurde die Manipulationssoftware erstmals eingesetzt, dort wurde der Betrug durch die Umweltbehörde EPA im September 2015 aufgedeckt und dort drohen auch die empfindlichsten Strafen.
Juristische Klärung abgeschlossen: Die rechtliche Aufarbeitung des Dieselskandals in den USA ist so gut wie abgeschlossen, für rund 80.000 Dieselwagen mit illegaler Abgastechnik gibt es ein Entschädigungspaket. VW nimmt dabei weitere 1,2 Milliarden Dollar (1,1 Mrd. Euro) für Autos mit 3,0-Liter-Motoren in die Hand. Insgesamt hat VW für Strafen und Entschädigungen in den USA 25,1 Milliarden Euro an Kosten verbucht, nachdem sich der Rückkauf und die Nachrüstung der 2,0-Liter-Fahrzeuge als schwieriger als erwartet entpuppten.
Klage gegen Bosch: In den USA wird auch der Zulieferer beschuldigt, VW mit Software zur Abgas-Manipulation versorgt zu haben. Bosch hat eine Zahlung von 327,5 Millionen US-Dollar zur Beilegung des US-Rechtsstreits akzeptiert
Das Rückkauf- und Entschädigungsprogramm: Anders als in Europa zahlt VW den betroffenen Kunden hohe Entschädigungen und kauft manipulierte Diesel zurück – Forderungen, deutschen Kunden ähnliche Zugeständnisse zu machen, weist der Konzern mit der Begründung zurück, dies würde den finanziellen Ruin bedeuten. VW zahlt US-Kunden Prämien zwischen 5100 und 10.000 Dollar. Insgesamt geht es um rund 475.000 Dieselautos mit Zwei-Liter-Motoren, bei weiteren etwa 80.000 größeren Modellen ist die richterliche Genehmigung des Vergleichs nahe.
Friedhof der Schummel-Diesel in Detroit: Wo bleiben die in den USA zurückgekauften Schummel-Diesel? Rund um den verlassenen Detroiter Silverdome, die 1975 eröffnete Arena war einst Bühne für einen Papstbesuch, erstreckt sich ein Meer aus mehreren Tausend Jetta, Passat und Golf der Serie "Clean Diesel TDI". Ausrangierte Wagen, die wegen illegaler Software zur Abgasmanipulation aus dem Verkehr gezogen und von US-Kunden zurückgekauft werden mussten. Spötter bezeichnen das Areal als "VW-Autofriedhof" oder als "wertvollsten Schrottplatz der Welt". Allerdings hat VW die Hoffnung nicht aufgegeben, die Diesel in einen legalen Zustand umzurüsten und als Gebrauchtwagen zu verkaufen. Dafür müssten aber die US-Umweltämter grünes Licht geben.
Weiterer VW-Manager verurteilt: Die US-Justiz verurteilte Ende August 2017 den langjährigen Konzerningenieur James Robert Liang in Detroit zu einer Gefängnisstrafe von drei Jahren und vier Monaten sowie einer Geldbuße von 200.000 Dollar (knapp 168.000 Euro). Damit fällte der Richter ein überraschend hartes Urteil, das deutlich über der Forderung des Staatsanwalts lag. Noch härter traf es den Anfang Januar 2017 vom FBI in Florida festgenommenen VW-Manager Oliver Schmidt. Er wurde am 6. Dezember 2017 ebenfalls in Detroit zur Höchststrafe von sieben Jahren Haft und einer Geldstrafe von 400.000 Dollar (340.000 Euro) verurteilt. Zudem wurde er von Volkswagen kurz vor Weihnachten entlassen, wogegen Schmidt jedoch arbeitsrechtlich vorgeht. Mehrere weitere Beschuldigte halten sich in Deutschland auf und müssen keine Auslieferung an die USA fürchten.
Diskussion um Abgas-Tierversuche
Im Januar 2018 sorgte das Bekanntwerden von Tierversuchen, bei denen Affen gezielt schädlichen Abgasen ausgesetzt wurden, international für Empörung. Die Autoindustrie hatte Wissenschaftler eingespannt, um mit der von BMW, Daimler und VW betriebenen Forschungsgruppe "European Group on Environment and Health in the Transport Sector" (EUGT) Gesundheitsgefahren von Dieselabgasen zu verharmlosen. Einem BILD-Bericht zufolge soll Volkswagen von Beginn an in die Tierversuche eingeweiht gewesen sein. Interne E-Mails belegten, dass die Idee zu der Studie von VW gestammt habe. Die Chef-Etage sei eingebunden gewesen. Der damalige leitende Werksarzt habe zudem offenbar versucht, den Auftrag durch entsprechende Formulierungen zu tarnen.
Volkswagen kündigte nach Bekanntwerden der Abgastests an, künftig auf Tierversuche zu verzichten. Nach Volkswagen zog auch Daimler personelle Konsequenzen aus dem Skandal. Der Vorstand habe entschieden, den Mitarbeiter freizustellen, der Daimler im Vorstand der für die Versuche verantwortlichen Forschungseinrichtung EUGT vertrat. "Die Freistellung erfolgt mit sofortiger Wirkung." Der Autobauer bekräftigte, die Versuche der EUGT aufs Schärfste zu verurteilen und sich davon zu distanzieren. BMW sieht dagegen kein Fehlverhalten bei seinem Mitarbeiter, der den Münchner Autokonzern von 2011 bis 2015 als Referent in der Lobby-Initiative EUGT vertreten hatte. Er habe glaubhaft versichert, dass er EUGT-Tierversuche kritisch hinterfragt habe. BMW habe an den Studien nicht mitgewirkt. Nach VW-Angaben wurde die Vereinigung zum 30. Juni 2017 aufgelöst.
Entschädigungen und Klagen in Deutschland
Anders als in den USA gehen die deutschen VW-Kunden wohl leer aus. Entsprechende Forderungen wies der Konzern mit der Begründung zurück, dies würde den finanziellen Ruin bedeuten. Zuletzt strengte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) in mehreren deutschen Städten Verfahren an, alle manipulierten Diesel mit dem VW-Schummelmotor EA 189 stilllegen lassen – unabhängig davon, ob das Fahrzeug umgerüstet wurde oder nicht. Begründung: Wegen der illegalen Software sei die Betriebserlaubnis für die Autos mit dem VW-Motor EA 189 erloschen. Eine erste Klage wies das Düsseldorfer Landgericht am 24. Januar 2018 in erster Instanz als "unzulässig und unbegründet" zurück. Weitere Klagen sind neben Düsseldorf in Berlin, Frankfurt am Main, Hamburg,
Hannover, Köln, Mainz, München, Stuttgart und Wiesbaden anhängig.
15.000 Diesel-Fahrer klagen gemeinsam: Mehr als 15.000 Besitzer von manipulierten Diesel-VW reichten am 6. November 2017 beim Landgericht Braunschweig gemeinsam eine Klage gegen den Volkswagen-Konzern ein. Eine echte Sammelklage, wie sie in den USA möglich ist, ist das zwar nicht. Doch werden erstmals im deutschen Recht vergleichbare kapitalmarktrechtliche Klagen von Anlegern effektiv gebündelt. Ein solches Konstrukt ist in Deutschland eher ungewöhnlich. Das Gericht hat die Klage noch nicht zugelassen und prüft derzeit die Unterlagen. Gesammelt wurden die Klagen von der Internet-Plattform "myright". Diese verlangt von VW, den Kunden den Kaufpreis gegen Rückgabe der betreffenden Autos zu erstatten. Es geht um 357 Millionen Euro.
Aktionärsklagen: Zahlreiche Anleger fordern Schadenersatz, weil sie nach Bekanntwerden von "Dieselgate" im September 2015 zunächst hohe Wertverluste bei Aktien und Anleihen hinnehmen mussten. Diese solle ihnen VW erstatten. Das Management hätte den Kapitalmarkt deutlich früher über die Probleme informieren müssen. Entsprechende Vorwürfe der Marktmanipulation haben auch die Staatsanwaltschaft Stuttgart auf den Plan gerufen, sie ermittelt gegen unter anderem gegen VW-Konzernchef Matthias Müller, Vorgänger Martin Winterkorn sowie der Ex-VW-Finanzvorstand und heutige VW-Chefaufseher Hans Dieter Pötsch. Volkswagen ist der Überzeugung, alle Regeln eingehalten zu haben. Das Volumen der bisherigen Anlegerklagen geht bereits in die Milliarden. Am Landgericht Braunschweig soll hierzu ein Kapitalanleger-Musterverfahren laufen, in dem ähnliche Ansprüche aus inzwischen gut 1500 Einzelklagen stellvertretend gebündelt verhandelt werden können. Das Verfahren könnte sich über Jahre hinziehen.
Die finanzielle Situation des VW-Konzerns
Gewinn trotz neuer Belastung: Obwohl der Abgasskandal den Konzern sowohl wegen des erlittenen Vertrauensverlustes, der Strafzahlungen in Milliardenhöhe und des einbrechenden Dieselabsatzes teuer zu stehen gekommen ist, geht es ihm besser denn je: Im Jahr 2017 fuhr der Konzern einen Rekordgewinn von elf Milliarden Euro ein.
Die Talfahrt der Aktie: Nach Bekanntwerden des Skandals stürzte die VW-Vorzugsaktie von etwa 170 auf zeitweise deutlich unter 100 Euro ab. Aktuell (Stand: 18. April 2018) steht sie bei 171 Euro, das ist deutlich mehr als vor dem Abgasskandal.
Diese Kosten muss VW wuppen: In den USA einigte sich VW mit Klägern und Gerichten bislang auf Straf- und Ausgleichszahlungen in Höhe von etwa 25 Milliarden Euro. Wie viel VW in anderen Ländern zahlen muss, ist noch nicht entschieden, die Prozesse laufen noch – oder haben noch gar nicht begonnen. Zu den Zahlungen aus Straf- und Zivilklagen kommen die Kosten für Autorückkäufe in den USA und die Umrüstungen in Europa.
Personelle Konsequenzen / Ermittlungen gegen VW-Manager
Aufgrund des Abgasskandals mussten hochrangige VW-Manager ihre Sessel räumen. Der frühere Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn ging Ende September 2015, er räumte bislang kein Fehlverhalten ein. Gegen ihn wurde im März 2018 in den USA Anklage wegen Betrugs und Verschwörung erhoben. Sein Nachfolger wurde 2015 der damalige Porsche-Chef Matthias Müller, der wiederum von Oliver Blume, bis dahin Porsche-Produktionsvorstand, beerbt wurde. Den Konzern verlassen mussten Audi-Entwicklungschef Ulrich Hackenberg, VW-Entwicklungsvorstand Heinz-Jakob Neußer und Porsche-Forschungsvorstand Wolfgang Hatz. Nach Neußer sowie vier weiteren, teils hochrangigen Ex-Mitarbeitern fahndet die US-Justiz.
Razzia bei Porsche: Wegen des Verdachtes des Betruges und strafbarer Werbung mit manipulierten Dieselabgaswerten durchsuchten am 18. April 2018 mehr als 200 Einsatzkräfte zehn Objekte in Baden-Württemberg und Bayern. Porsche-Motorenchef Jörg Kerner wurde festgenommen. Die Staatsanwaltschaft wirft insgesamt drei Beschuldigten vor, von Manipulationen bei den von Audi entwickelten Motoren gewusst zu haben. "Wir weisen diesen Vorwurf zurück und tun unser Möglichstes, um alles in Ordnung zu bringen", schrieb der neue Vorstandschef Oliver Blume in einem Brief an die Belegschaft.
Razzien bei Audi: Im Zuge der Abgas-Affäre ließ die Staatsanwaltschaft München II am 6. Februar 2018 Geschäftsräume in der Audi-Zentrale in Ingolstadt und im Werk Neckarsulm durchsuchen. 18 Staatsanwälte und Beamte der beiden Landeskriminalämter Bayern und Baden-Württemberg waren dabei im Einsatz, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Außerdem wurde eine Privatwohnung in Baden-Württemberg überprüft. Im Fokus der Ermittler stand der Einsatz von technischen Vorrichtungen zur Manipulation von Abgaswerten in 3-Liter-Dieselmotoren, die für den europäischen Markt bestimmt waren, hieß es.
Ermittlungen der Staatsanwaltschaft: Mit Ex-Porsche-Motorenentwickler Wolfgang Hatz sowie einem weiteren Ex-Audi-Manager sitzen zwei Beschuldigte wegen des Vorwurfs des Betrugs in München in Haft. Am 27. September 2017 gab es zudem weiteren Durchsuchungen und Beschlagnahmungen. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt außerdem gegen mehrere hochrangige VW-Manager wegen Betrugs und Marktmanipulation, unter anderem gegen Ex-VW-Chef Martin Winterkorn, den aktuellen VW-Chef Matthias Müller und Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch. Pötsch war unter Winterkorn Finanzvorstand bei VW, er ist derzeit zudem Vorstandsvorsitzender der Porsche SE. Bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig laufen gegen ihn, Winterkorn und VW-Markenchef Herbert Diess Verfahren schon wegen möglicher Marktmanipulation. Die Strafverfolger in der Diesel-Affäre gehen außerdem in mehreren Dutzend Fällen dem Verdacht des Betrugs nach, auch gegen Winterkorn.
Der Blick in die Zukunft für VW
Konsequenzen und Einsichten: Der Dieselskandal, der längst große Teile der gesamten Autobranche erfasst hat, brachte eine Wende, nicht nur in Sachen Unternehmenskultur, sondern vor allem hin zum Elektroauto. VW stellt mit dem 2020 startenden Elektro-Hoffnungsträger ID und seinen Ablegern eine ganz neue Modellfamilie aufs Gleis. Man hat verstanden, wie wichtig Digitalisierung und Mobilitätsdienstleistungen sind. Weiteres Indiz: die 13. Konzernmarke Moia, die unter anderem Shuttle-Dienste anbieten soll. Gleichzeitig aber müssen auch die Verbrennungsmotoren weiterentwickelt werden, was Milliarden verschlingt.
Konzernumbau: Ein neues Team arbeite am Verkauf von nicht mehr zum Kerngeschäft zählenden Teilen, sagte VW-Chef Matthias Müller dem "Wall Street Journal" (8. September 2017). Diese machten bis zu einem Fünftel des Umsatzes aus. Gerüchte über eine Fusion mit dem Konkurrenten Fiat Chrysler (FCA) seien aber "Spekulation", so Müller.
Folgen für die Belegschaft: In der Reaktion geht VW auf Sparkurs. Auch die Job-Charakteristik im Konzern dürfte sich verändern, denn für die baulich einfacheren Elektroantriebe werden weniger Beschäftigte als bisher gebraucht. Der "Zukunftspakt", dem Betriebsratschef Bernd Osterloh nach langem Ringen mit dem bisherigen VW-Markenchef Herbert Diess zustimmte, ist vor allem ein Sparprogramm, das unter anderem den Wegfall von weltweit bis zu 30.000 Jobs vorsieht. Tatsächlich wird der Umstieg auf Elektroautos einer Studie zufolge in den kommenden Jahren Zehntausende Arbeitsplätze in der Branche kosten – die gleichzeitig fortschreitende Digitalisierung der Fahrzeuge könnte den Verlust aber in großen Teilen auffangen.
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