Das mit dem nahezu weltweit verordneten Lockdown verbundene geringere Verkehrsaufkommen mit dem damit einhergehenden Minimalausstoß schädlicher Abgase aus den Auspuffrohren müsste doch eigentlich überall für kristallklare Atemluft sorgen. Tut es aber nicht, womit bislang gern ins Feld geführte Argumente gegen Autos im Allgemeinen und den Dieselantrieb im Besonderen plötzlich die Schlagkraft verloren geht.
Dabei ging in einigen europäischen Großstädten, wo Kontaktsperren galten und der Bevölkerung nur unbedingt notwendiges Verlassen der eigenen Wohnung erlaubt war, der Autoverkehr um 75 bis 80 Prozent zurück. Noch Ende März konnte die Deutsche Presseagentur berichten, dass die Luftverschmutzung daher in Großstädten Europas seit der Einführung von Ausgangsbeschränkungen nach Daten der europäischen Raumfahrtagentur Esa geschrumpft sei. Satellitendaten hätten einen starken Rückgang der Stickstoffdioxid-Konzentrationen insbesondere in Mailand, Paris und Madrid gezeigt, wo ein besonders strenger Lockdown verordnet war.
Plötzlich waren die Schadstoffe wieder da
Doch die Euphorie war von kurzer Dauer. Zwar nahmen Verkehrslärm und Kohlendioxidbelastung spürbar ab, doch die messbare Menge an Stickstoffdioxid ging in einigen Großstädten wie von dpa berichtet zunächst zurück, nahm dann aber wieder zu. Also genau jenes Gas, für das bisher in erster Linie Fahrzeuge mit Dieselmotor verantwortlich schienen und das als Argument für Fahrverbote von Hamburg bis Stuttgart herhalten musste, tauchte plötzlich auch ohne Dieselverkehr überraschend wieder auf.
Für die Luft am berühmt-berüchtigten Neckartor in Stuttgart stellte zum Beispiel das Umweltbundesamt am 9. April bei geringem Verkehr einen Stickstoffdioxid-Wert von 60 Mikrogramm fest, 20 Mikrogramm über dem von der EU erlaubtem Grenzwert. An der Landshuter Allee in München - ebenfalls ein chronischer Belastungsschwerpunkt - lag dieser Wert am gleichen Tag gar bei 90 Mikrogramm.
Weniger Autos - mehr Schadstoffe
Ein ähnliches Bild lieferten andere Städte. „Relativ sauber war die Luft in Berlin bis etwa zum 17. März, dem Tag, an dem sämtliche Schulen schlossen. Dann stieg die Konzentration von Schadstoffen wie Feinstaub oder Stickstoffdioxid, obwohl weniger Autos fuhren“, schrieb der in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg erscheinende „Nordkurier“ erstaunt. „Ist das Auto also doch nicht so klimaschädlich wie immer behauptet wird?“ fragte sich das Blatt.
Auch in Köln wollte das Stickstoffdioxid nicht so, wie von manchen Beobachtern gewünscht. In der Woche nach dem 23. März, als ein deutschlandweit verschärftes Kontaktverbot in Kraft trat, kletterte dort der Stickstoffdioxid-Wert auf Neckartor-Niveau, eine Woche später näherte er sich wieder dem erlaubten Grenzwert.
„Diesel kann nicht länger zum Sündenbock gemacht werden“
Angesichts dieser Messergebnisse sind Diesel-Fahrverbote nach Ansicht des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) unverhältnismäßig. „Wenn Stickoxid-Messwerte an verschiedenen bekannten Hotspots trotz des seit Wochen deutlich reduzierten Verkehrsaufkommens nicht dauerhaft zurückgehen, kann der Diesel dafür nicht länger zum Sündenbock gemacht werden“, betont ZDK-Präsident Jürgen Karpinski. Es zeige sich, dass auch andere Faktoren, wie zum Beispiel die Wetterbedingungen sowie andere Emittenten, Einfluss auf die NOx-Konzentration nehmen.
Umweltbundesamt relativiert
Währenddessen spielt das Umweltbundesamt auf Zeit. Ute Dauert, beim UBA Leiterin des Fachgebiets zur Beurteilung der Luftqualität meint: Ob die Verbesserung von Dauer sein werde, müsse sich erst noch zeigen. „Tatsächlich haben wir in der Woche ab dem 23. März Stationen gefunden, an denen die morgendlichen Werte etwas höher als normal waren. Wir vermuten, dass das daran lag, dass viele Menschen, die sonst den öffentlichen Nahverkehr nutzen, auf das Auto umgestiegen sind, weil sie enge Straßenbahnen und Busse vermeiden wollten. An anderen Stationen sind die Werte hingegen im selben Zeitraum förmlich abgestürzt, da schien gar keiner mehr Auto zu fahren. Und an weiteren Stationen sahen die Messwerte unverändert aus. Die Situation war und ist von Stadt zu Stadt unterschiedlich“, erklärte sie in einem Interview mit „Zeit online“.
Weiter gab sie zu bedenken: „Wir sollten jetzt auf keinen Fall glauben, dass wir uns keine Sorgen mehr um die Luftschadstoffbelastung machen sollten, weil wir sie jetzt kurzzeitig gesenkt haben, indem wir zu Hause bleiben, mehr zu Fuß gehen oder mit dem Rad fahren. Der Grenzwert, der seit 2010 nicht mehr überschritten werden darf, ist ein Durchschnittswert, der sich auf das Kalenderjahr bezieht. Jetzt zu sagen, wir brauchen in Zukunft keine Fahrverbote mehr, weil wir im Moment weniger Emissionen haben, wäre ein Fehlschluss.“
Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesverkehrsminister, Steffen Bilger (CDU), widerspricht dieser Meinung: „Das Thema Diesel-Fahrverbote ist aus meiner Sicht endgültig vom Tisch. Warum die Stickoxid-Werte trotz rapidem Verkehrsrückgang nicht sinken, wirft Fragen auf, die die zuständigen Umweltbehörden klären müssen“, ließ er sich vom Nachrichtenmagazin „Focus“ zitieren.
Realität scheint gegen die „Deutsche Umwelthilfe“ zu arbeiten
Eine, der aber jetzt schon die Felle wegzuschwimmen scheinen, ist die berühmt-berüchtigte Deutsche Umwelthilfe (DUH), die sich in den vergangenen Jahren nicht nur als professionell geführter Abmahnverein einen Namen machte, sondern gleichzeitig als Vorkämpfer gegen die Diesel und für Fahrverbote in einer Vielzahl deutscher Groß- und Kleinstädte kämpfte. Mit zahlreichen Prozessen sorgte sie dafür, dass verunsicherte Besitzer von Dieselfahrzeugen erhebliche Wertverluste erlitten und die Volkswirtschaft um Milliarden geschädigt wurde.
Doch inzwischen wendet sich das Blatt. Zerknirscht musste DUH-Chef Jürgen Resch kürzlich eine Klage auf Fahrverbote in Oldenburg vor dem Oberverwaltungsgericht in Lüneburg zurückziehen. „Die Deutsche Umwelthilfe hat erklärt, dass ihre Klage ‘aufgrund nachträglich eingetretener Umstände nicht mehr zu begründen‘ sei“, berichtete die Oldenburger „Nordwest Zeitung“. Offensichtlich fürchtete Jürgen Resch eine vereinsschädigende Blamage vor dem Kadi.