Renault Rafale: Herzschlag eines flotten Franzosen

3 Monate her - 18. August 2024, Krone Zeitung
Renault Rafale
Renault Rafale
„Achte drauf, wie er dich mit einem leuchtenden Herzschlag in den Alpine-Sitzen begrüßt“, sagt mir der freundliche Renault-Mann, als ich den Rafale abhole. Auch wenn ich zunächst eher flackerndes Neonlicht assoziiert habe – der flotte Franzose mit dem schrägen Heck soll mich dann doch schnell in seinen Bann ziehen.

Das gelingt ihm mit vernünftiger Auslegung, einer emotional, aber nicht aggressiv gezeichneten Karosserie, die gerade in Farben wie diesem Dezir-Rot besonders gut kommt, und seiner absoluten Unaufdringlichkeit im Umgang. Dazu sei erwähnt, dass es sich hier um die (auch noch um einige Extras ergänzte) Topausstattung namens Esprit Alpine handelt, zu der auch das pulsierende A auf den Vordersitzlehnen gehört.

Nüchtern betrachtet ist der Rafale nicht viel mehr als ein Renault Espace mit Coupé-Heck, doch das wird ihm in seiner ganzen Eleganz nicht gerecht. Und das Erstaunliche: Der Rafale ist kaum weniger praktisch als sein Steilheckbruder mit dem irreführenden Namen (bekanntlich wurden einst bei Renault Vans, nicht SUVs Espace genannt), es mangelt trotz abfallender Dachlinie (Höhe: 1,61 m) nicht einmal an Kopffreiheit auf den Rücksitzen. Und das Platzangebot ist opulent, obwohl der Radstand im Verhältnis zur Länge eher kurz ist. Sieben Sitze gibt es für den Rafale nicht – die dritte Sitzreihe ist aber auch im Espace nicht viel mehr als ein Feigenblatt.

Ein paar Maße zur Einordnung
Der Rafale liegt mit 4,71 Meter zwischen dem etwas kürzeren Peugeot 408 und dem etwas längeren BMW X4. Der Radstand von 2,74 m unterbietet den Peugeot um fünf und den BMW sogar um zwölf Zentimeter. Doch den Münchner traut sich Renault ohnehin nicht offiziell anzugreifen, sie haben eher den deutlich kleineren (jedoch vom Preis her näheren) X2 im Visier. Oder auch den VW Tiguan, warum auch immer.

Ein paar Maße zur Nutzung
In den Kofferraum passen 627 Liter, davon 92 unter dem Boden, bleiben also 510 Liter wirklich nutzbar. Klappt man die Rücksitzlehnen (fummelig per Schlaufe oben drauf) um, erhält man eine Stufe und insgesamt 1914 Liter hinter einer recht hohen Ladekante. Einen weiteren Ladeboden, der für eine ebene Fläche sorgen würde, sucht man vergeblich.

Es lebt sich gut im Rafale
Auf den vorderen Plätzen herrscht Wohlfühlatmosphäre, auf den Alcantara-Alpine-Sesseln sitzt es sich hervorragend, den Rest kennen wir bestens aus dem Espace. Riesiger, zum Fahrer geneigter Touchscreen mit Google-Betriebssystem, Bedienung leicht zu erlernen. Erstmals bei Renault gibt es auch ein echtes Head-up-Display.

Der verschiebbare Deckel auf der Mittelkonsole mit dem massiven Griff als Handauflage irritiert etwas, weil die Fächer nie ganz offen oder geschlossen sind und die ganze Konstruktion im Alltag eher unpraktisch ist. Zweiter Kritikpunkt: die Vielzahl an Lenkstockhebeln, allein drei an der rechten Seite. Fahrwahlschalter, Scheibenwischer und Soundsatellit, ein bisserl zu viel des Guten, Fehlbedienungen keine Seltenheit.

Absolut vorbildlich ist Renaults Umgang mit Assistenzsystemen, insbesondere mit den lästigen Pflichtassistenten Tempolimitwarner und aktiver Spurhalter. Zwar funktionieren sie bei Renault auch nicht besser als bei anderen, dafür sind sie leicht abschaltbar. Dazu drückt man einfach zweimal auf eine Taste links am Armaturenbrett, dann ist Ruhe. Vorher muss man sich nur (das geht ganz leicht) ein Preset mit allen gewünschten Assistenzeinstellungen einrichten.

Schon die Basis umfasst übrigens die meisten Sicherheitsfeatures (Rest mit Esprit Alpine), Zweizonen-Klimaautomatik, Rückfahrkamera und Google-Navigation.
Entspannter Antrieb

Die Kritik an früheren Versionen ist angekommen, Renault hat den Vollhybridantrieb mittlerweile so gut fertig entwickelt, dass er praktisch zu keinem Zeitpunkt mehr stört. Er tritt gut an, lässt sich auch beim Überholen nicht zu viel Zeit und hält sich derart angenehm im Hintergrund, dass bei mir hier wie nirgendwo sonst ein ablehnendes Gefühl gegenüber dem Dreizylinder-Verbrenner entsteht. Der Antrieb passt richtig gut zu diesem Auto – wenn man entspannt fahren will.

Ein 1,2-Liter-Benziner mit 131 PS und ein 69 PS starker Elektromotor teilen sich die Vortriebskraft und kommen gemeinsam auf ein Maximum von 200 PS. Ein klassisches Getriebe gibt es nicht, sondern zwei Fahrstufen für den E-Motor und deren vier für den Verbrenner. Ein zusätzlicher Startergenerator (18 kW/25 PS) verschaltet daraus insgesamt 15 Fahrzustände. Renault bezeichnet das als Multi-Mode-Getriebe. Tempo 100 in knapp neun Sekunden, bei 180 km/h ist Schluss. Wie stark das System rekuperiert, lässt sich über Schaltpaddles einstellen.

Der Verbrauch hat sich bei 6,7 Liter auf 100 Kilometer eingependelt (WLTP: 5,0 l/100 km), was eine Reichweite von über 850 Kilometer bedeutet.

Künftig wird es den Rafale auch als 300-PS-Plug-in-Hybrid geben.

4control, aber kein Allradantrieb
Beim Blick auf die B-Säule des Rafale könnte man glauben, er wäre allradgetrieben. 4control bezeichnet jedoch die Allradlenkung, die an der Hinterachse bis zu 5 Grad mitlenkt. Wie aggressiv sie das tut, lässt sich über die Fahrmodi oder direkt auf einer 13-stufigen Skala einstellen. Es empfiehlt sich nicht über mittlere Werte hinauszugehen, da das Lenkgefühl dabei immer unnatürlicher, synthetischer wird. Der Wendekreis beträgt mit 4control 10,40 meter, ohne 11,60 Meter.

Die Lenkung arbeitet generell sehr direkt, was einen agilen Eindruck vermittelt, jedoch gefühllos. In Sachen Entspannung ist das vielleicht der einzige Punkt, wo der Rafale etwas nachlässt. Okay, das Fahrwerk ist auch eher straff. Aber seine Eltern tönen ohnehin eher in Richtung Dynamik und Sportlichkeit, insofern ist das nachvollziehbar. Und trotz 1721 kg Eigengewicht laut Zulassungsschein ist der Testwagen auch alles andere als schwerfällig.

Die Preise
Bei 44.760 Euro fängt es mit dem Rafale E-Tech Full Hybrid 200 Techno an, der Esprit Alpine steht mit 48.760 Euro in der Liste. Mit Extras kommt der Testwagen auf gut 56.000 Euro.

Fahrzit
Ganz schön viel Geld für einen Renault, der auf den VW Tiguan zielt. Genau genommen ist er aber eine Klasse größer und ist damit gar nicht mehr so teuer, wie er auf den ersten Blick wirkt. Er bietet mehr als er verspricht. Das kann man nicht von jedem Auto behaupten. Und dass sein Herz für den Fahrer schlägt, macht ihn zusätzlich charmant.

Warum
Gute Optik, kein aggressiver Auftritt, trotz Coupé-SUV-Form

Viel Platz
Ausgereifter Vollhybrid

Warum nicht?
Etwas synthetisches Fahrgefühl

Oder vielleicht …
… Renault Espace, Peugeot 408 oder 3008

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