Opel auf der Suche nach einer neuen Identität

3 Jahre, 6 Monate her - 09. Juni 2021, Krone Zeitung
Opel auf der Suche nach einer neuen Identität
Was ist Opel und wofür stehen wir? Das ist eine Frage, die sich in Rüsselsheim derzeit viele stellen.

Denn nachdem die Hessen erst von General Motors aus Detroit gegängelt wurden, dann als Neuzugang in der PSA-Familie nach einer Pariser Pfeife tanzen mussten und jetzt ihren Platz in der riesigen Stellantis-Gruppe suchen, ist die eigene Identität wichtiger denn je. Und nur, wenn sie eine überzeugende Antwort auf diese Frage finden, werden sie eine sichere Zukunft haben im buntesten Markenstrauß, den ein Autokonzern aktuell zu bieten hat.

Das wissen auch Quentin Huber und Pierre-Oliver Garcia, die sich im Marketing und beim Design weniger um Modelle, als um die Marke selbst kümmern und die Selbstfindung jetzt mit einem ganz speziellen Projekt beflügeln. Denn sie gehören zu den Initiatoren des Manta GSe ElektroMod, der den Blick gleichzeitig zurück und nach vorne richtet und so eine neue Identität für Opel schaffen will.

Gut 50 Jahre nach seinem Debüt gehört der Manta zu den berühmtesten und begehrtesten Klassikern der Marke und zu den wenigen Opel-Oldtimern mit einem hohen Coolness-Faktor - selbst wenn der, Till Schweiger und seinem Manta-Film sei Dank, vor allem bei einer Zielgruppe zieht, auf die ein Unternehmen, nun ja, nicht unbedingt stolz ist. Dabei gibt es hässlichere Accessoires als einen Fuchsschwanz.

„Emotionen ganz ohne Emissionen“
Und weil das Team um Huber und Garcia den Wagen nicht einfach restauriert, sondern - dem Trend zum „RestoMod“ folgend - gründlich modernisiert und dabei auch elektrifiziert hat, steht er zugleich für die Zukunft, von der sie in Rüsselsheim träumen. Schließlich singt Opel lauter als jede andere Stellantis-Tochter das Hohelied der E-Mobilität und will schon in drei Jahren in jeder Modellreihe elektrische oder zumindest elektrifizierte Varianten anbieten. „So vereint dieser Manta das Beste aus zwei Welten“, sagen die Initiatoren über den entölten Blitz: „Er erzeugt maximale Emotionen ganz ohne Emissionen.

Neu ist die Idee vom Oldtimer unter Strom zwar nicht. Jaguar hat schon vor Jahren mit der Umrüstung des legendären E-Type zum Elektrosportwagen begonnen, und bei VW kann man mittlerweile Elektro-Bausätze für Käfer und Bulli kaufen. Doch mit dem ElektroMod hat Opel den Faden ein bisschen weitergesponnen. Statt einfach nur einen modernen Antrieb ins alte Auto zu basteln, haben die Hessen den ganzen Wagen in die neue Zeit geholt und die Uhr fünf Jahrzehnte vorgedreht: Im originalen Armaturenbrett leuchten deshalb digitale Instrumente, zwischen den Sitzen schallt der Soundtrack zum Fotoshooting aus einem Bluetooth-Lautsprecher und sogar ein Navi haben sie ins Cockpit integriert.

Neongelb und Vizor-Grill als Identitätsnachweis
Und natürlich trägt der in einem zur neuen Markenfarbe geadelten Neongelb lackierte GSe den Vizor-Grill, den Opel mit dem Mokka eingeführt und zum künftigen Gesicht der Marke erklärt hat. Nicht umsonst nennen die Designer den Manta dafür als wichtigste Inspirationsquelle. So findet zusammen, was zusammengehört.

Allerdings haben die Manta-Modder dafür nicht einfach ins Ersatzteillager des Mokka gegriffen, sondern schon den nächsten Schritt gemacht: Der Kühlerschild des Manta GSe wird zum PixelVizor und damit zum riesigen Display, über den der zeitreisende PS-Pensionär mit seiner Umgebung kommuniziert. Er stellt sich vor, prahlt mit seinen Eigenschaften, informiert über den Ladestand oder zeigt den Blitz als das, was er von Natur aus ist - eine Lichtsignatur. Den Segen des TÜV allerdings hat dieser Vizor erst bekommen, nachdem die Schriften ausgeschaltet und das Tagfahrlicht eingefroren werden konnten. Bis so ein Display in Serie geht, müssen deshalb neben den Entwicklern auch die Juristen wohl noch ein paar dicke Bretter bohren.

Jetzt allerdings geht’s erst einmal ans Feintuning. Denn alle im Unternehmen sind heiß darauf, das TÜV-Siegel auf dem Kennzeichen zu nutzen und den Manta endlich in die Freiheit des öffentlichen Straßenverkehrs zu entlassen. Schließlich steckt unter der Haube nicht wie sonst oft bei solchen Einzelstücken ein Kriechmotor, der kaum mehr als Schrittgeschwindigkeit erlaubt. Gemeinsam mit einem externen Partner hat Opel ein Paket mit ordentlich Power installiert: 147 PS und 255 Nm - das sind 50 Prozent mehr als beim Original und machen diesen Manta zum stärksten seiner Art. Zumindest zum stärksten, der je den offiziellen Segen des Werks bekommen hat. Und auch Corsa-e oder Mokka-e haben da mit ihren 136 PS das Nachsehen.

Wahlweise automatisch gefahren oder über die alt hergebrachte Viergang-Schaltung, treibt er ganz klassisch die Hinterräder an und dürfte beim Kickdown reichlich Gummi von den 205er Reifen hobeln, die Opel hinten auf die 17-Zöller gezogen hat. Und mit ein bisschen Glück sind auch mehr als die 150 km/h drin, die Opel bei Corsa & Co erlaubt. Die Energie dafür liefert ein Akku mit 31 kWh, der binnen vier Stunden geladen ist und damit genügend Energie für 200 Kilometer liefern sollte.
Spekulationen um Serienproduktion

Ein legendäres Auto, ein cooles Design und die Hoffnung auf jede Menge Fahrspaß ganz ohne Ölflecken auf dem Garagenboden - dank solcher Verheißungen hat das Projekt der Selbstfindung mittlerweile eine solche Eigendynamik bekommen, dass es längst mehr ist als nur eine Standortbestimmung und eine PR-Aktion. Denn schon die wenigen, sehr vorsichtigen Kilometer, die einzelne Mitarbeiter während des Umbaus mit dem Manta fahren konnten, waren so faszinierend, dass sie plötzlich Morgenluft wittern: Deshalb träumen sie bereits davon, solche Umrüstungen zu institutionalisieren und damit vielleicht sogar etwas Geld zu verdienen. Und Firmenchef Michael Lohscheller nutzt den ElektroMod geschickt, um Spekulationen über eine Neuauflage des Manta als Akku-Auto zu streuen und so das Engagement bei der Elektrifizierung der Modellpalette herauszustellen.

Doch bei aller Begeisterung für den Batterieantrieb haben sich die Manta-Macher eine gewisse Skepsis bewahrt und deshalb eine goldene Regel der MOD-Szene berücksichtigt: „Alles, was wir eingebaut haben, lässt sich schadlos wieder zurückrüsten“, sagt Garcia und schließt den Elektroantrieb explizit mit ein. Wie ernst sie es damit meinen, zeigt nicht zuletzt ein Detail: Denn sicherheitshalber haben sie nicht einmal den Kilometerstand zurückgesetzt, sondern die 55.143 Kilometer des Originals kurzerhand als ersten Wert ins digitale Cockpit programmiert.

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