Nissan Ariya: Edel-Flaggschiff mit kreativen Ideen

2 Jahre, 7 Monate her - 23. März 2022, Krone Zeitung
Nissan Ariya 2022
Nissan Ariya 2022
Auf der Tokyo Motor Show 2019 haben wir ihn noch als Concept Car als eines der Highlights vorgestellt, jetzt war Nissans beeindruckendes Elektro-Coupé-SUV namens Ariya als Vorserienmodell erstmals bereit für eine Testfahrt.

Etwas überraschend sind an ihm zwei Dinge: zum einen seine oberklassige Anmutung, zum anderen dass er seinen Namen trotz von Anfang an aufgetretener Irritationen auch in der Serie behalten darf.

Der 4,60 Meter lange, 1,85 m breite und 1,66 m hohe Nissan Ariya ist das Flaggschiff von Nissans elektrischer Zukunft, in der ab sofort kein Cent mehr in die Entwicklung reiner Verbrennerantriebe gesteckt wird (ja, das gilt auch für GT-R & Co). Verbrenner kommen nur noch in Kombination mit einem oder mehreren Elektromotoren zum Einsatz, also als Vollhybrid oder als „e-Power“-Antrieb, bei dem der Vortrieb ausschließlich elektrisch passiert und der Benziner direkt den Akku auflädt.

Hauptbaustein für die Zukunft ist jedoch die CMF-EV-Plattform, die Nissan für die Renault-Nissan-Gruppe entwickelt hat und auf der auch der Ariya basiert (der Renault Megane E-Tec electric ist jedoch das erste Serienauto, das in den Genuss kommt). Der Ariya ist ein elegant gezeichnetes und vor allem in dem hier gezeigten Bronzeton sehr hochwertig wirkendes Mittelklasse-SUV von 4,60 Meter Länge.

Auffälliges SUV-Coupé
Glatte Flächen, gefühlt nahtlos aneinandergesetzt, eine Art Clamshell-Motorhaube, muskulöse Radhäuser sowie eine elegante Coupé-Linie, die in einem glatten, etwas fülligen Heck ausläuft und von einer Chromkante betont wird, ergeben zusammen ein Design wie aus einem Guss, klassische Türgriffe vermitteln eine angenehme Bodenständigkeit.

Sehr hochwertiger Innenraum
Nahtlosigkeit zieht sich als Konzept auch im Innenraum durch. So gehen die Türverkleidungen harmonisch ins Armaturenbrett über. Alles wirkt sehr hochwertig und elegant. Vor allem fallen die ins Holz eingelassenen Bedienelemente auf, die klassische Tasten ersetzen. Solche finden sich auch auf der mächtigen Mittelkonsole neben Cupholdern und Fahrstufenwahlgnubbel.

Zwischen Mittelkonsole und Armaturenbrett kann man frei durchsteigen, allerdings schließt ein tiefes, ausfahrbares Staufach die Lücke per Knopfdruck. Fast schon aufsehenerregend, auf jeden Fall eine kreative Idee.

Hinter dem Multifunktionslenkrad blickt der Fahrer auf zwei 12,3-Zoll-Displays, die zu einem großen verschmelzen, ähnlich wie man das mittlerweile von Mercedes, Kia oder Hyundai kennt. Aufgesetzt, aber doch stimmig integriert. Auch ein gestochen scharfes Head-up-Display ist erhältlich.

Sehr gutes Platzangebot

Das Raumgefühl ist luftig, die Sitzposition aber aus zwei Gründen nicht ideal: Die Mittelarmlehne ist sehr hoch angebracht, außerdem ist die Türarmlehne tiefer positioniert. Dadurch hat man seine Ellbogen nicht auf gleicher Höhe. Der zweite Kritikpunkt betrifft den Fahrerfußraum, der zu wenig Platz für den linken Fuß bereithält.

Auf der Rückbank geht es besonders luftig zu, es zwickt weder an den Knien noch am Scheitel. Es könnte lediglich unter dem Vordersitz ein Hauch mehr Platz für die Füße sein, wenn der Sitz ganz nach unten gefahren ist. Besonders angenehm ist, dass sich die hinteren Türen praktisch im 90-Grad-Winkel öffnen lassen. In den Kofferraum passen beim Fronttriebler 468 Liter (samt variablem doppeltem Boden), beim Allradler 415 Liter. Der Radstand beträgt 2,78 Meter.

Augenblickliche Entspannung beim Fahren
Beim Fahren sofort Entspannung ein. Der Ariya ist extrem leise, vom Elektroantrieb ist nichts zu hören, kein Sirren, nichts. Das Fahrwerk ist komfortabel abgestimmt, eher weich. Schnelle Wechselkurven führen zu deutlicher Aufbaubewegung, im Gegenzug darf man ausgiebiges Schluckvermögen auf schlechten Straßen erwarten. Ob der Nissan Ariya diese Erwartung erfüllt, muss ein ausgiebiger Test oder die reguläre Fahrpräsentation zeigen. Bisher konnten wir nur einige Runden mit Vorserienmodellen ohne Straßenzulassung auf dem Circuito del Jarama nahe Madrid drehen. Der erste Eindruck ist allerdings ein guter, ausgereifter. Die Lenkung vermittelt durchaus Gefühl für die Straße, die Assistenzsysteme regeln sehr konsequent.

Nur ein Punkt irritiert beim Fahren: Stellt man die Rekuperation auf Maximum, sodass das Fahrzeug relativ stark verzögert, wenn man den Fuß vom Fahrpedal nimmt, dann steigt das Ariya praktisch selber auf die Bremse, wie von Geisterhand. Es zieht sich also tatsächlich das Bremspedal zurück. Wenn man dann zusätzlich draufsteigen will, tritt man ein Stück weit ins Leere und bremst dann stärker, als man eigentlich wollte, weil der langsame Bremsdruckaufbau zu Beginn wegfällt und man sofort stark bremst. Das ist nicht der Weisheit letzter Schluss.

Fünf Leistungsstufen zur Wahl
Für den Nissan Ariya stehen zwei Akkugrößen zur Wahl mit einer nutzbaren Kapazität von 63 oder 87 Kilowattstunden. Als Fronttriebler leistet er entsprechend 160 kW/218 PS oder 178 kW/242 PS bei 300 Nm maximalem Drehmoment. Der Standardsprint wird mit 7,5 bzw. 7,6 Sekunden angegeben, das Höchsttempo ist auf 160 km/h begrenzt. Der Fronttriebler mit großem Akku ist mit 500 Kilometer nach WLTP der Reichweitenkaiser im Programm (360 km mit kleinem Akku).
Zusätzlich stehen drei 200 km/h schnelle Allradvarianten zur Wahl, mit je einem E-Motor pro Achse, die über eine e-4ORCE genannte Technik gesteuert werden und die Räder variabel nach Bedarf mit Kraft versorgen können, was Stabilität und Bodenhaftung zugutekommt.

Mit 63-kWh-Akku leisten die Motoren zusammen 205 kW/278 PS und stellen 560 Nm bereit, mit dem größeren 225 kW/306 PS und 600 Nm. Beide sprinten in knapp 6 Sekunden auf 100. Ihre Reichweite wird mit 340 bzw. 460 km angegeben.

Das Topmodell mit dem Zusatz Performance schiebt mit 290 kW/294 PS an und schafft die 100 in 5,1 Sekunden. Dafür kommt er lediglich auf 400 km WLTP-Reichweite.

Der leichteste Ariya bringt 1,8 Tonnen auf die Waage, der schwerste 2,3 Tonnen.
Geladen wird am Schnelllader mit bis zu 130 kW, Nissan verspricht eine sehr flache Ladekurve, sodass Ladestopps relativ kurz sein sollen. Mit Wechselstrom sind dreiphasig bis zu 22 kW möglich.

Die Sache mit dem Namen
Der Nissan Ariya reiht sich ein unter die Automodelle mit einem Namen, der etwas anderes bedeutet, als es der Hersteller beabsichtig hat. Da gab es etwa den Toyota MR2, dessen Buchstaben-Ziffer-Kombination französisch ausgesprochen das Endprodukt der Verdauung benennt: merde. Ähnlich ist es bei Audi mit dem e-tron, ebenfalls französisch ausgesprochen: étron. Der Mitsubishi Pajero erinnert einen Spanier ans Onanieren

Nun also Ariya, was klingt wie Arier und damit an das Dritte Reich und die Nazis erinnert. Übrigens nicht nur im Deutschen, sondern u.a. auch im Englischen und Französischen.

Bis der Nissan Ariya im Sommer auf den Markt kommt, werden sie den Namen sicher nicht mehr ändern (er hieß schon 2019 in Tokio so), aber sicher werden sie den Preis nennen. Der wird sich sicher an VW ID.4 & Co orientieren, obwohl der Nissan in Sachen Anmutung mehr als eine Klasse über dem Wolfsburger fährt.

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