Ja, das ist genau die Frage. Deshalb habe ich eine 900-Kilometer-Fahrt angetreten. Wie es gelaufen ist, sehen Sie hier im Video-Fahrbericht!
Bereit steht ein BMW i7 xDrive60, 400 kW/544 PS stark, in rolls-roycesker Two-Tone-Lackierung, opulent ausgestattet und knapp 200.000 Euro teuer.
Die Datenlage ist günstiger als die finanzielle: 591 bis 625 Reichweite sollten eigentlich eine Reisezeit ermöglichen, die grob der mit einem Verbrenner entspricht, inklusive Pausen. Okay, zumindest fast. Weil der i7 auf 400, nicht auf 800 Volt fährt, lädt er zwar schnell, aber nicht so rasant wie ein Hyundai oder Porsche. 195 kW Ladeleistung geben die Münchner an, außerdem 38 Minuten für das Laden von 10 auf 80 Prozent. Dafür braucht ein Hyundai Ioniq 6 nicht einmal halb so lang. Okay, dessen Batterie speichert auch nur 77,4, nicht 101,7 kWh, 10 auf 80% heißt dort also auch nur 54 kWh, nicht 71 kWh.
Dazu kommt, dass mein Akku bei Fahrtbeginn nur zu rund einem Drittel voll ist. Also: Theoretisch waren zwei Ladestopps zu erwarten. BMW gibt inklusive Ladeverlusten 18,4 bis 19,6 kWh auf 100 Kilometer an. Rechnet man die raus, sind es ungefähr 17 kWh Normverbrauch. Es wurde dann mehr, nicht zuletzt weil ich ein ungeduldiger Mensch bin und ungern mit Tempo 100 über die Autobahn zockle. Tacho 140 in Österreich und Tschechien muss schon sein, das heißt im Schnitt über 23 kWh/100 km laut Bordcomputer. In Deutschland auch mal Vollgas - der i7 läuft echte 247 km/h, obwohl er laut
Datenblatt bei 240 abgeregelt ist.
Ein herrliches Gefühl, im i7 über 230 km/h zu reisen, wenn es Verkehr und Tempolimits zulassen. Und so leise. Es rauscht nur relativ sanft der Wind, jeder Verbrenner schlägt sich mehr auf die Ohren. Bei dem Tempo rauscht natürlich auch die Reichweite in den Keller. Was heißt das für die Reisezeit? Bin ich mit hohem oder geringem Tempo insgesamt schneller? Ohne das wissenschaftlich eruiert zu haben: Es sieht so aus, als bliebe es unterm Strich ziemlich egal.
Geschwindigkeit ist egal
Wie ich darauf komme? Ich habe mir vom On-Board-Navi eine Route samt Ladestopps legen lassen. Die Zeit fürs Laden unterwegs wird eingerechnet, sodass theoretisch eine realistische Ankunftszeit ausgewiesen wird. Fährt man verschwenderischer, als das Navi angenommen hat, wird die Liste der Ladestopps aktualisiert und die Ankunftszeit neu berechnet. Diese Zeit blieb auch dann ziemlich konstant, wenn ich kräftig auf die Tube drücke und infolgedessen mehr Ladezeit eingeplant wird. Anders als bei einem Verbrenner gewinnt man durchs Schnellfahren also keine Zeit, aber anscheinend verliert man auch keine. Es wird nur teurer und der Meeresspiegel steigt schneller.
Wenn man es nicht übertreibt, sondern „normal“ fährt (nein, ich klinke mich nicht in die aktuelle Diskussion um dieses Wort ein), kommt man auf eine Gesamtreichweite von gut 400 Kilometern. Zwischen zwei Ladestopps kann man von rund 300 Kilometern ausgehen. Schließlich fährt man den Akku nicht bis auf 0% leer und lädt ihn in der Regel nicht auf mehr als 80 Prozent (wobei die Ladeleistung erst über 90 drastisch in den Keller geht). Die eingangs erwähnten um die 600 Kilometer sind also nichts als graue Theorie. Aber das haben Sie sich wahrscheinlich schon gedacht.
Das BMW-Navi: Geschichten mit Missverständnissen
Das Navi im BMW i7 macht eigentlich einen guten Job. Berechnet in der Regel gute Routen. Man kann ihm sogar ansagen, mit wie viel SOC (State of Charge = Ladestand) man an einer Ladestation (5 bis 25%) oder am Ziel (5 bis 50%) ankommen möchte (wie das geht - siehe Video!). Eine größere Einstellungsbandbreite (vor allem am Ziel) wäre wünschenswert.
Kommt man an einem geplanten Stopp an, sagt es dem Fahrer, bis zu welchem Ladestand er laden soll, damit sich die weitere Strecke wie vorgesehen ausgeht. So weit, so gut. Aber: Im Hintergrund setzt es das LadeLIMIT auf diesen Wert, ohne dass man das mitbekommt. Es bleibt also nicht bei einem Vorschlag, sondern bei diesem Wert (das können z.B. 65% sein) wird der Ladevorgang automatisch beendet. Sitzt der Fahrer noch gemütlich bei einem Glas Alkoholfreiem und glaubt, das Auto lädt einfach weiter, ist der Ärger nach der Rückkehr groß. Selbst wenn er zwei Stunden weg war und der Akku längst auf 100% sein könnte, wird es nicht mehr als 65% und die Ladestation wird sinnlos blockiert. Es sei denn, der Fahrer hat das Ladelimit manuell wieder auf 100% gesetzt.
Fehler im Kartenmaterial kosten Zeit und Nerven
Zwischendurch hat das Navi auch mal komplett die Nerven geschmissen (siehe Video) und irgendwelche Phantasieladezeiten ausgeworfen. Erst ein Neustart hat das Problem gelöst.
Ein weiteres Problem ist leider resistent gegen einen Neustart: Ich bin auf fehlerhafte Kartendaten gestoßen: In Prag hat mich das Navi zu einer Ionity-Station geleitet, die an einer Autobahnraststätte steht. Weil diese Raststätte in der Gegenrichtung war, musste ich von der Autobahn abfahren und quasi von hinten an die Station heranfahren. Nur: Das Navi hat mich in eine Sackgasse geführt! Das war auf der Karte auch zu erkennen. Und auch durch die Windschutzscheibe - da war ein Randstein und jede Menge Sträucher. Die Zielführungslinie ignorierte das.
Da mein Akku schon fast leer war, wäre ich also aufgeschmissen gewesen, denn man kann dem Navi auch nicht eingeben, dass ein Streckenabschnitt gesperrt ist. Kurzerhand bin ich über die Wiese gefahren.
Ansonsten hätte ich Google Maps bemühen können - hier wurde eine korrekte Route angezeigt. Ähnliches wiederholte sich später auch noch mit einem wegen Baustelle gesperrten Bahnübergang in Niederösterreich, über den mich das BMW-Navi leiten wollte - im Gegensatz zu Google Maps.
Das Problem: Man braucht das BMW-Navi wegen der Ladestopproute. Sonst könnte man auch einfach mit Apple CarPlay/AndroidAuto navigieren.
Was auch in Prag passiert ist: Die eine oder andere DC-Ladestation war im Navi als HPC ausgewiesen. Das kann einem die Laune vermiesen und die Fahrt- bzw. Ladezeit verlängern.
Autokino für die Ladezeit
Landet man mit einem Akkustand von 5% versehentlich an einer 50-kW-Station, hat man hoffentlich den vom Himmel herunterklappbaren 31-Zoll-Megascreen an Bord und kann sich online über Amazon Prime oder Netflix einen Film reinziehen. Bild und Sound sind beeindruckend. Ansonsten kann man auch per HDMI eine Playstation oder so etwas anschließen.
Fahrzit
Hat sich die Frage nach dem BMW i7 als Reiseauto mittlerweile geklärt? Nicht? Na ja, im Prinzip ... Wenn alles nach Plan läuft, dann hält sich der Zeitverlust gegenüber einem Verbrenner in Grenzen. Aber die Erfahrung mit Elektroauto-Reisen zeigt: Es ist immer irgendwas. Wie beim Bahnfahren, wo ich jedes zweite Mal eine längere Verspätung habe. Jetzt, da die individualmobile Zukunft an der Kabelschnur hängt, kann man sich nur wünschen, dass die Probleme gelöst werden.
Dazu muss man sagen, dass natürlich auch andere namhafte Hersteller nicht-fehlerfreie Software in ihren Autos haben. Und mit welcher Ladeleistung eine Ladestation im System vermerkt ist, hängt nicht vom Autohersteller, sondern von ihrem Betreiber ab.
Immerhin musste ich kein einziges Mal warten, weil keine Ladesäule frei war. Und das Fahren im BMW i7 ist ein Genuss. Je länger, desto besser. Bei jedem Tempo. Ob mit 50 oder knapp 250 km/h. Es gibt den 7er übrigens auch als PHEV und Diesel. Ich sag’s nur.
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