Was für eine Pleite: Da freut sich Asterix angesichts einer Kohorte kampfbereiter Römer auf eine ordentliche Keilerei –und dann ist sein Druide Miraculix im Urlaub. Und ohne Zaubertrank droht dem kleinen König der Gallier eine gehörige Abreibung.
Genau so könnte es all jenen ergehen, die sich begeistert vom gelungenen Comeback des Renault R5 als vielleicht charmantestes Elektroauto der Saison auf den Ableger von Alpine gefreut haben, der die sportliche Schwester zu Preisen ab 38.700 Euro jetzt ins E-Zeitalter beamen soll.
Vielleicht waren einfach die Erwartungen zu hoch, und vielleicht hat Renault ein paarmal zu oft von der Wiedergeburt des Hot-Hatchs geschwärmt und den seligen R5 Turbo erinnert, als sie den R5 zur A290 gemacht und ihn ausgerechnet bei den 24 Stunden zur Jungfernfahrt über den Kurs gescheucht haben. Doch nach der ersten Ausfahrt mit dem vermeintlichen Kraftzwerg ist das Ergebnis eher ernüchternd: kein Zauber ohne Trank.
Dicke Backen machen noch keinen Bodybuilder
Egal, wie viel Leistung und Drehmoment der A290 bietet, kann er nie der stärkste und der schnellste sein, weil immer einer mehr bietet, seit Kilowatt nichts mehr kosten und Tuning nur noch einer Frage von Mausklicks ist. Und dicke Backen oder ein paar peinliche LED-Kreuze im Gesicht machen halt noch keinen Bodybuilder und erst recht keinen Leistungssportler.
Aber gerade, wenn die alten Quartettwerte nichts mehr wert sind, dann zählen nur noch Emotionen – und mit den tun sich Elektroautos nachweislich schwer. Erst recht, wenn sie für die Überholspur oder gar die Rennstrecke gemacht sind.
Darunter leidet ein Rimac Nevera genauso wie ein BMW i4 M50 oder ein EQE AMG, und bei der Alpine ist es keinen Deut besser. Wo den Franzosen seinerzeit mit der A110 aus dem Stand ein einzigartiger, weithin angesehener Sportwagen gelungen ist, bleibt die A290 deshalb nur ein überzüchtetes E-Auto von vielen, und Alpine hat die Chance vertan, dem Hyundai Ioniq 5N als einzig halbwegs emotionalem E-Sportler für den halben Preis die ganze Show zu stehlen.
Natürlich gehört die A290 weniger auf die Rundstrecke als in die Stadt. Erst recht, weil der Akku von 52 kWh schon im Normzyklus nur für 380 Kilometer reicht und sich bei artgerechter Haltung schneller leert als Obelix‘ Teller beim Wildschwein-Bankett. Und es bei maximal 100 kW Ladeleistung länger dauert, bis er wieder voll ist. Also weniger Hunaudieres-Gerade als Champs d'Elysees. Doch nicht umsonst nennt Alpine-Chef Philippe Krief den A290 einen "Urban Sports Car", der die Marke einem breiteren Publikum öffne und schwärmt schon wieder vom "Hot-Hatch".
Alpine A290 mit 177 PS und bis zu 300 Nm
Nur, dass der kleine Hobel halt gar nicht so heiß ist. Ja, in der Serie ist schon bei 150 PS Schluss, und die Alpine leistet bereits in der Basisversion 177 PS. Und als GT Performance für 41.900 Euro aufwärts kann der Möchtegern-Asterix mit 218 PS und bis zu 300 Nm punkten – wenn auch nur für zehn Sekunden und auch nur dann, wenn man den "OV"-Knopf im Lenkrad gedrückt hält. Was auf einer kurvigen Strecke nicht immer ganz einfach ist.
Doch selbst ein langweiliger VW ID.3 hat mehr Mumm, vom kompakten Sportler wie dem MG4 XPower ganz zu schweigen. Und pardon mes amis: Ein Sprintwert von 6,4 Sekunden ist in der E-Welt allenfalls gehobener Durchschnitt. Und nur, weil ihr in der Serie schon bei 150 Sachen den Stecker zieht, wird die Alpine mit ihren bestenfalls 170 km/h nicht gleich zum Raser.
Immerhin hat Renault die Lenkung und das Fahrwerk noch knackiger abgestimmt als beim ohnehin schon lustvollen R5. Und wer mit einem Knopfdruck die elektronischen Sicherheitsleinen kappt, erlebt zumindest ein bisschen Nervenkitzel. Doch ist der Kleine so gutmütig, dass er auch ohne ESP & Co nie so richtig aus der Reihe tanzt und mal über die Stränge schlägt.
Statt mit einem hochdrehenden Vierzylinder für echtes Herzrasen zu sorgen, kitzelt Alpine die Nerven der Generation E deshalb allenfalls mit ein bisschen digitalem Beiwerk. So kann die Elektronik den Fahrer wahlweise trainieren und damit schneller machen oder sie kann ihn zum sportlichen Wettkampf herausfordern.
Und natürlich findet man über das große Infotainment-System auch den Weg ins Internet und kann dort googeln, was den Römern passiert, wenn Miraculix am Ende der Geschichte aus dem Urlaub kommt und Asterix doch wieder seinen Zaubertrank braut. Und wer das selbst erleben will, der setzt sich vielleicht noch einmal in die A110.
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